Das Phantom im Netz
mein Verbrechen? Darin, dass ich »mutmaßlich Zugang« gehabt hatte?
Nach meiner Festnahme begannen Staatsanwälte mehrerer Gerichtsbezirke im Land, Wunschlisten mit Anklagepunkten und Vorwürfen gegen mich zusammenzustellen, aber es gab immer noch Grund zur Hoffnung für mich. Trotz der Beweislast war die Klage USA gegen Mitnick keine todsichere Angelegenheit. Es gab rechtliche Konflikte, die zunächst gelöst werden mussten. Shimmy hatte, zum Beispiel, insgeheim als De-facto-Bundesagent gearbeitet und ohne gerichtliche Anordnung meine Online-Aktivitäten überwacht, was nach einer groben Verletzung der Amtspflicht roch. Mein Anwalt hatte außerdem Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt, weil dieser Mängel aufwies. Entschied das Gericht zu meinen Gunsten, wären alle Beweise, die in North Carolina beschlagnahmt wurden, vor Gericht nicht verwertbar, und das nicht nur in Raleigh, sondern überall.
Für John Bowler, den jungen, aufstrebenden stellvertretenden Staatsanwalt, der für meinen Fall zuständig war, war dies die große Chance. Wenn er es schaffte, dass ich in allen Punkten schuldig gesprochen wurde, und wenn er den Richter überzeugen konnte, eine schwere Gefängnisstrafe zu verhängen, wären ihm die Aufmerksamkeit der Medien und ein glänzender Karrierestart sicher. Rein rechtlich musste sich der Richter bei der Bemessung des Strafmaßes an den geringen Verlusten der Telefongesellschaft durch meine kostenlosen Telefonanrufe orientieren.
Nach meiner ersten Anhörung vor Gericht wurde ich ins Johnston-Bezirksgefängnis in Smithfield, North Carolina, transportiert, und die Polizisten gaben den Befehl, vor dem ich mich gefürchtet hatte: »Steckt ihn ins ›Loch‹!«
Ich konnte nicht fassen, dass das wirklich geschah. Ich schlurfte mit meinen Fußketten auf diese Tür zu und wehrte mich gegen jeden Schritt. Ich erlebte es wie in Zeitlupe. Mir wurde klar, dass ich nur aus Angst vor dieser Tür drei Jahre lang auf der Flucht gewesen war. Ich würde es nicht ertragen, wieder da drin zu sein. Aber die Wachen führten mich genau in diesen Albtraum zurück, und ich konnte nichts dagegen tun.
Das letzte Mal, 1988, hatten sie mich für über acht Monate in Einzelhaft gesteckt, damit ich tat, was sie wollten. Sobald ich dem Deal zugestimmt hatte, wurde ich in den Regelvollzug verlegt. Auch dieses Mal steckte man mich nicht in dieses elende Loch, weil man die Öffentlichkeit vor mir oder mich vor den anderen Häftlingen schützen wollte. Sie wollten dadurch einfach nur Druck auf mich ausüben, nichts weiter. Die Botschaft war deutlich: Ich musste nur auf die Forderungen der Staatsanwaltschaft eingehen und auf ein paar Rechte verzichten, mich dazu bereit erklären, nur mit meinen nächsten Angehörigen und meinem Anwalt zu telefonieren, und ich würde sofort aus der Einzelhaft in den Regelvollzug verlegt werden.
Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich fühlte, als ich die Zelle betrat. Ich hatte so viele Jahre in Angst vor dem »Loch« gelebt, dass ich beinahe durchdrehte, als sich die Tür hinter mir schloss. Ich hätte meine Zelle lieber mit einem tätowierten, prügelwütigen Drogendealer geteilt, als wieder ganz allein weggeschlossen zu werden.
Es heißt ja, wir Computerfreaks säßen stundenlang in kleinen, dunklen Räumen vor leuchtenden Bildschirmen über Tastaturen gebeugt und bekämen kaum mit, ob es draußen Tag oder Nacht ist. Für den Otto Normalverbraucher mag das wie Einzelhaft wirken.
Aber es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man seine Zeit allein verbringt oder in einen widerlichen, dreckigen Sarg gesteckt wird, nicht weiß, ob man jemals wieder herauskommt, und von Menschen fremdbestimmt wird, die einem das Leben so schwer wie möglich machen wollen. Egal wie man es dreht, jede einzelne Minute in Einzelhaft ist trostlos und deprimierend. Einzelhaft gilt allgemein als Folter. Derzeit laufen bei den Vereinten Nationen die Vorbereitungen dazu, sie für unmenschlich zu erklären.
Viele Experten vertreten die Ansicht, dass Einzelhaft über längere Zeit schlimmer sei als Waterboarding und andere Arten physischer Folter. Bei Gefangenen in Einzelhaft werden oft Anzeichen von Lethargie, Verzweiflung, Wut und schwerer Depressionen sowie weiterer psychischer Störungen beobachtet. Bei der Isolation, der Untätigkeit und dem Fehlen jeglicher Struktur braucht es nicht mehr viel, damit man durchdreht. Es ist niemand da, mit dem man reden kann. Man ist allein mit den eigenen Gedanken und
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