Das Phantom im Netz
härtere Strafe verhängen konnte. Es kam noch schlimmer: Ich erklärte mich dadurch bereit, mehrere Millionen Dollar Entschädigung zu bezahlen, mehr, als ich in meinem ganzen Leben wahrscheinlich verdienen würde. Und ich musste alles, was ich durch die Veröffentlichung meiner Geschichte verdiente, an meine »Opfer« – Sun, Novell, Motorola usw. – abgeben.
John Yzurdiaga und Richard Steingard waren beide engagierte Anwälte und hatten viele Stunden kostenlos an meiner Verteidigung gearbeitet. Trotzdem war es ein unglaublich schlechter Deal für mich. Entweder musste meine Verteidigung während der Verhandlung sehr überzeugend sein, oder ich musste mit der Staatsanwaltschaft einen besseren Deal aushandeln.
Das Problem war nur, dass ich mir gar keinen Anwalt leisten konnte. Paradoxerweise hätte ich, wenn ich vor meiner Verhaftung die 20 000 Kreditkarten tatsächlich benutzt hätte, mir den besten Anwalt für meine Verteidigung leisten können, der mich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bei der Verhandlung verteidigt oder so viele Schwachstellen in der Anklage der Staatsanwaltschaft gefunden hätte, um einen sehr viel besseren Deal auszuhandeln.
Während ich noch darüber nachdachte, was ich tun sollte, besuchte mich Bonnie im Gefängnis und erzählte mir, dass Lewis De Paynes Anwalt, Richard Sherman, sich bereit erklärt hatte, mich kostenlos zu verteidigen. Sie behauptete, er wolle mir helfen, weil die Staatsanwaltschaft seiner Meinung nach in meinem Fall nicht fair vorging und ich einen aggressiveren Anwalt brauche.
Es klang toll, aber ich war misstrauisch. Sherman war nicht nur Lewis‘ Anwalt, sondern auch sein Freund. Aber er kam persönlich, um mich zu treffen und sprach sehr überzeugend davon, dass wir vor Gericht gewinnen könnten. Ich überlegte noch einmal, den Deal mit den acht Jahren zu akzepztieren und besprach die Sache mit meiner Familie, bevor ich Shermans Angebot annahm.
Mehrere Wochen lang unternahm er gar nichts in meinem Fall, außer bei Gericht mehr Zeit für meine Recherchen in der Gefängnisbibliothek zu beantragen, was rundweg abgelehnt wurde. Von der versprochenen aggressiven Verteidigung war keine Rede mehr. Er übernahm meinen Fall und legte ihn dann zu den Akten.
Kurz nachdem er meinen Fall offiziell übernommen hatte, wurde mir klar, wie sehr man mich getäuscht hatte. Als ich Sherman eines Tages anrief, um über meinen Fall zu sprechen, ging Ron Austin ans Telefon. Ich erkannte ihn an der Stimme. Austin war der Informant gewesen, der meine Anrufe für FBI-Agent Ken McGuire aufgezeichnet hatte.
Sherman versicherte mir sofort, dass Ron keinen Zugriff auf meine Fallakten hatte, aber darum ging es gar nicht. Diese Leute waren nicht auf meiner Seite. Als mir das klar wurde, war ich wütend auf Sherman, weil er mir leere Versprechungen über eine energische Verteidigung gemacht hatte, und auch wütend auf mich selbst, weil ich ihm geglaubt hatte.
Jeder vernünftige Anwalt hätte meine Freilassung gefordert. Aber Sherman verlangte, dass die Staatsanwalt mich endlich anklagen solle: »Wenn Sie Beweise gegen meinen Mandanten haben, dann klagen Sie ihn doch an und lassen Sie uns vor Gericht gehen.« Ein ungeheuerliches Vorgehen für einen Strafverteidiger. Aber der Staatsanwalt folgte seinem Vorschlag.
Am 26. September 1996, nach über eineinhalb Jahren in Haft, wurde ich vor einem Geschworenengericht in Los Angeles in 25 Punkten angeklagt, darunter Computerbetrug (Kopieren von firmeneigenem Quellcode), Besitz von Zugangsinformationen (Computerpasswörtern), Beschädigung von Computern (durch das Einrichten von Hintertüren) und Abfangen von Passwörtern. Diese Punkte kamen natürlich noch zu den ursprünglichen Anklagepunkten wegen Handyklonens aus Raleigh dazu.
Für bedürftige Angeklagte – der ich ja war – kann der Richter entweder anordnen, dass der Fall einem staatlichen Pflichtverteidiger zugewiesen wird, oder er kann einen sogenannten »Panel Attorney« auswählen. Dabei handelt es sich um Anwälte mit eigener Praxis, die bedürftige Angeklagte für einen Bruchteil des Honorars vertreten, das ein etablierter Anwalt verlangen würde (damals bekam ein Panel Attorney 60 Dollar pro Stunde). Ein Panel Attorney, Donald Randolph, wurde zu meinem Verteidiger bestimmt, und Richter William Keller – der bei Gericht den Spitznamen »Killer Keller« hatte – würde der Anhörung über die neuen Anklagepunkte vorsitzen. Es hieß, dass Angeklagte, die das Pech
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