Das Phantom im Netz
Recht, hier zu sein. Verlassen Sie mein Apartment. Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl. Verlassen Sie mein Apartment, und zwar SOFORT!«
Ein paar Männer bilden einen Kreis um mich. Einer der Beamten zeigt mir einen Bogen Papier und meint: »Sieht der nicht aus wie Sie?«
Ich kann nicht anders, als in mich hineinzulachen. Die U.S. Marshals haben ein Fahndungsplakat gedruckt, mit mir drauf! Unglaublich!
Dort steht:
GESUCHT WEGEN VERLETZUNG DER BEWÄHRUNGSAUFLAGEN
Das Foto aber zeigt mich vor sechs Jahren im FBI-Büro von Los Angeles. Es ist dieselbe Aufnahme, die auch die New York Times verwendet hat. Damals sah ich enorm dick und schmuddelig aus, weil ich drei Tage weder duschen noch mich rasieren konnte.
Ich sage dem Beamten: »Der sieht überhaupt nicht aus wie ich.«
Durch meinen Kopf spukt der Gedanke: Sie sind sich nicht sicher. Vielleicht entwische ich ihnen noch mal.
Burns verlässt die Wohnung.
Zwei Männer setzen die Durchsuchung fort. Das andere Polizistenpaar steht rum und sieht zu. Auf meine Frage hin sagen sie, sie kämen von der Fugitive Task Force von Raleigh-Durham. Dachte das FBI etwa wirklich, drei seiner Männer seien nicht genug, um einen gewaltlosen Hacker festzunehmen?
Agent Glasgow hat meine Aktentasche ergattert. Sie steckt voller Dokumente zu meinen verschiedenen Identitäten, mit Blanko-Geburtsurkunden und Ähnlichem – der direkte Weg ins Gefängnis. Er legt den Koffer auf den kleinen Esstisch und öffnet ihn.
Ich rufe: »He!«, und sobald er aufsieht, schlage ich den Deckel zu, lasse die Verschlüsse einschnappen und verdrehe die Zahlenschlösser.
Er brüllt mich an: »Machen Sie den Koffer auf!«
Ich höre gar nicht hin. Er geht in die Küche, öffnet eine Schublade, entdeckt ein großes Schneidemesser und kommt damit zurück ins Zimmer.
Sein Gesicht hat eine dunkelrote Färbung angenommen.
Er will das Messer in den Aktenkoffer stoßen, um diesen aufzuschneiden. Aber ein Kollege, Agent Lathell Thomas, fasst ihn am Arm. Jeder im Raum weiß: Wenn Glasgow den Koffer ohne gültigen Durchsuchungsbefehl aufschlitzt, könnten alle darin enthaltenden Beweismittel für ungültig erklärt werden.
Agent Burns war eine halbe Stunde weg. Jetzt kommt er wieder und zeigt mir einen neuen Durchsuchungsbefehl, der nun säuberlich ausgefüllt und von einem Bundesrichter unterschrieben ist. Meine Adresse wurde per Hand eingetragen. Die beiden anderen Beamten haben nun schon mehr als zwei Stunden illegal meine Wohnung durchsucht.
Agent Tomas nimmt sich meinen Kleiderschrank vor. Ich will ihn da wegschreien, aber er achtet gar nicht auf mich und öffnet die Tür. Nach einer Weile dreht er sich um, eine Brieftasche hochhaltend.
»Na, was haben wir denn hier?«, freut er sich mit dem typisch schleppenden Südstaaten-Akzent.
Er holt Führerscheine mit allen schon einmal von mir benutzten Identitäten hervor. Die anderen halten inne und sehen ihm zu.
»Wer ist Eric Weiss?«, fragt er. »Und wer ist Michael Stanfill?«
Ich möchte ihm alles aus der Hand reißen, aber ich habe Angst, dass es aussieht wie ein tätlicher Angriff – in einem Raum voller bewaffneter Männer wohl keine besonders gute Idee.
Jetzt wissen sie, dass ich kein rechtschaffener, unbescholtener Bürger bin. Aber sie wollen immer noch Kevin Mitnick verhaften, und in der Brieftasche ist nichts, womit sie mich dahingehend festnageln könnten.
Offenbar habe ich meine Rolle – den braven, fälschlich angeklagten Bürger – so überzeugend gespielt, dass sie jetzt besprechen, ob sie mich mitnehmen und Fingerabdrücke abnehmen sollen, um zu beweisen, dass ich wirklich Mitnick bin und sie nur an der Nase herumführe.
Ich sage: »Gute Idee. Wann soll ich morgen in Ihrer Dienststelle erscheinen?«
Sie ignorieren mich. Alle drei FBI-Leute suchen weiter.
Bis jetzt bleibt das Glück mir noch treu.
Und dann passiert es: Tomas durchsucht sämtliche Kleider in meinem Schrank. Auch meine alte Ski-Jacke.
Aus einer Innentasche mit Reißverschluss holt er einen Zettel hervor.
»Eine Lohnabrechnung«, verkündet er. »Ausgestellt auf Kevin Mitnick.«
Agent Thomas ruft: »Sie sind verhaftet!«
Es ist nicht wie im Fernsehen. Niemand macht sich die Mühe, mich über mein Auskunftsverweigerungsrecht zu informieren.
Immer war ich so vorsichtig, und jetzt wird mir eine Lohnabrechnung von einer Firma zum Verhängnis, bei der ich nach Verlassen von Beit T‘Shuvah kurz gearbeitet habe, ein jahrelang in einer versteckten Innentasche
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