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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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gesehen: lange Gitterreihen und Insassen, die ihre Arme durch die Gitterstäbe streckten. Bei dem Anblick hatte ich das Gefühl, es wäre alles nur ein Traum, ein Albtraum. Aber die anderen Insassen stellten sich überraschenderweise als cool und freundlich heraus, z. B. liehen sie mir Sachen, die man im Gefängnisladen kaufen konnte. Viele von ihnen waren Wirtschaftskriminelle.
    Aber es gab keine Duschgelegenheit. Als mich FBI-Agenten schließlich abholten und zum FBI-Hauptquartier in West Los Angeles brachten, wo sie mich für ihre Verbrecherkartei fotografierten, ekelte ich mich vor mir selbst. Ich musste furchtbar aussehen – ungeduscht und ungekämmt. Ich trug sogar noch dieselbe Kleidung wie bei meiner Verhaftung drei Tage zuvor und hatte jede Nacht auf einer kleinen Pritsche schlecht geschlafen. Immerhin würde dieses Bild in einer späteren schwierigen Zeit ein Trost für mich sein.
    Nach einem Wochenende in Haft wurde ich am Montagmorgen der Haftrichterin Venetta Tassopulos vorgeführt. Ich rechnete damit, auf Kaution freigelassen zu werden. Ich bekam einen Pflichtverteidiger, der mich fragte, ob ich früher einmal vor dem Gesetz geflohen sei. Wie sich herausstellte, hatte er bereits mit dem Staatsanwalt gesprochen, und der hatte ihm erzählt, ich sei 1984 nach Israel geflohen, was nicht wahr war.
    Während der Anhörung folgte ich fassungslos den Ausführungen des Anklägers, dem stellvertretenden Staatsanwalt Leon Weidman. Weidman erzählte der Richterin: »Das ist eine richtig große Sache. Wir sind immer noch damit beschäftigt, zusammenzutragen, was er alles gemacht hat.« Dem Staatsanwalt zufolge hatte ich unter anderem
mich bei der NSA eingehackt und geheime Zugangscodes erbeutet,
den Telefonanschluss meiner ehemaligen Bewährungshelferin gestört,
die Kreditauskunft eines Richters manipuliert, von dem ich mich schlecht behandelt gefühlt hatte,
eine Falschmeldung lanciert, in der ich behauptet hatte, die Security Pacific National Bank habe mehrere Millionen Dollar Verlust gemacht, nachdem man dort eine Job-Zusage zurückgezogen hatte,
wiederholt die Schauspielerin Kristy McNichol belästigt und ihren Telefonanschluss gestört,
mich in die Computer der Polizei gehackt und Einträge über frühere Verhaftungen gelöscht.
    Jede einzelne dieser Behauptungen war rundweg falsch.
    Der Vorwurf, ich habe mich bei der NSA eingehackt, war einfach nur lächerlich. Auf einer Diskette, die die Polizei von Santa Cruz bei mir sichergestellt hatte, befand sich eine Datei mit dem Namen »NSA.TXT«. Es war das Ergebnis einer »Whois«-Abfrage, die eine Liste aller registrierten Nutzer des Dockmaster-Systems ausgegeben hatte, des nicht geheimen Computersystems der Nationalen Sicherheitsbehörde, zu dem sich Lenny während seiner Zeit bei Hughes Aircraft Zugang verschafft hatte. In der Datei waren nur öffentlich zugängliche Informationen, einschließlich einer Liste der Durchwahlnummern im National Computer Security Center. Der Staatsanwalt hatte offenbar keine Ahnung davon, was er da vor sich hatte, und stufte daher öffentliche Telefondurchwahlen als »geheime Zugangscodes« ein. Unglaublich!
    Die Behauptung, ich habe mich in die Computer der Polizei gehackt und die Unterlagen über meine Verhaftung gelöscht, bezog sich auf meinen Hackerangriff bei Santa Cruz Operations. Aber dass die Unterlagen fehlten, hatte die Polizei selbst zu verantworten. Als Bonnie und ich uns im Büro des Sheriffs von West Hollywood gestellt hatten, wurde ganz einfach vergessen, unsere Fingerabdrücke zu nehmen, und so wurde nie eine Akte zu unserer Verhaftung angelegt. Kurz gesagt, hatten sie da gepfuscht: Sie hatten einfach ihre Arbeit nicht richtig gemacht.
    Alle anderen Vorwürfe waren genauso falsch. Dennoch überzeugten diese aufgewärmten Gerüchte die Richterin anscheinend davon, dass ich eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellte.
    Was mich aber am meisten verwirrte, war der Vorwurf, ich habe mehrfach den Telefonanschluss der Schauspielerin Kristy McNichol abgestellt, weil ich in sie verknallt sei. Zunächst einmal kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand das Abstellen eines Telefonanschlusses für einen geeigneten Beweis von Zuneigung hält. Ich habe nie herausbekommen, wo diese Geschichte herkam, aber sie hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Es war einfach erniedrigend, im Lebensmittelladen an der Kasse zu stehen und ein Foto von sich auf dem Cover eines Klatschblattes zu sehen, mit einer

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