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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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Nummer im Telefonverzeichnis nach. Er kam rüber, wählte die Nummer und reichte mir den Hörer. Die Telefonistin fragte mich nach meinem Namen und ging dann aus der Leitung, bis meine Mutter antwortete, das R-Gespräch von Kevin annahm und wir endlich miteinander verbunden wurden.
    Während ich mit Mutter telefonierte, rieb ich meinen Rücken am Münztelefon, als würde es mich jucken. Am Ende unseres Gesprächs griff ich mit der Hand hinter meinen Rücken und tat so, als würde ich mich kratzen. Ich sprach weiter ins Telefon, drückte aber mit der versteckten Hand die Telefongabel ein paar Sekunden herunter und unterbrach so die Verbindung. Dann zog ich meine Hand wieder hinter meinem Rücken hervor.
    Ich wusste, dass ich nur 18 Sekunden Zeit hatte, um eine neue Nummer zu wählen, bevor das Telefon ein schrilles, lautes Besetztzeichen von sich geben würde, das der Wachmann auf jeden Fall hören würde.
    Also tat ich wieder so, als kratze ich mich am Rücken, während ich schnell die Nummer wählte, die ich anrufen wollte – angefangen bei der 0 für ein R-Gespräch. Ich ging meinen Rücken kratzend ein wenig hin und her, damit sich der Wachmann an die Bewegung gewöhnte und keinen Verdacht schöpfte.
    Natürlich konnte ich das Tastenfeld nicht sehen und musste aufpassen, dass ich die richtigen Nummern auch so traf. Und ich musste den Hörer fest an mein Ohr pressen, um das Geräusch des Wähltons zu dämpfen.
    Die ganze Zeit über musste ich so tun, als spreche ich immer noch mit meiner Mutter. Also nickte ich gelegentlich und gab vor, mich mit ihr zu unterhalten, während der Wachmann mich beobachtete.
    Nachdem ich die neue Nummer eingetippt hatte, musste ich die richtigen Stichwörter genau zur richtigen Zeit in mein »Telefongespräch« einbauen. Wenn die Vermittlung sich meldete und fragte: »R-Gespräch. Wen kann ich als Anrufer angeben?«, musste das nächste Wort in meinem Satz »Kevin« sein und so reinpassen, dass es sich für den Wachmann normal anhörte. (Als mich die Vermittlung nach meinem Namen fragte, antwortete ich etwa: »Na, dann sag Onkel John, dass …« Die Frau von der Vermittlung wartete dann darauf, dass ich meinen Namen nannte, und genau da sagte ich: »… KEVIN … herzlich grüßen lässt.«)
    Als ich Bonnies Stimme hörte, hatte ich Herzklopfen. Nur mit Mühe hatte ich mich unter Kontrolle, und ich zwang mich dazu, mit ihr genauso zu sprechen, wie ich mit meiner Mutter gesprochen hatte.
    Es hatte funktioniert. Ich war so aufgeregt, als hätte ich gerade den größten Hack der Geschichte geschafft.
    Das erste Mal ist immer das schwierigste. Ich wiederholte den Vorgang von nun an jeden Tag. Es war ein Wunder, dass der Wachmann mir nicht eine Hautlotion gegen Juckreiz besorgte.
    Etwa zwei Wochen, nachdem ich den Trick das erste Mal durchgezogen hatte, ging eines Nachts, als ich schlief, plötzlich die Zellentür auf. Draußen standen mehrere Männer in Anzügen: zwei Stellvertreter des Gefängnisdirektors und ein leitender Vollzugsbeamter. Man legte mir Handschellen und Fußfesseln an, und ich musste etwa zehn Meter weit zu einem Besprechungsraum schlurfen. Ich setzte mich, und einer der stellvertretenden Direktoren fragte: »Mitnick, wie stellen Sie es an? Wie wählen Sie die Telefonnummer?« Ich stellte mich dumm, weil es dumm gewesen wäre, irgendetwas zuzugeben. Sollten Sie mir doch etwas nachweisen.
    Der Vollzugsbeamte schaltete sich ein: »Wir haben Ihre Anrufe überwacht. Wie wählen Sie die Nummer? Der Wachmann beobachtet Sie die ganze Zeit.« Ich grinste und sagte: »Ich bin nicht David Copperfield. Wie sollte ich da eine Telefonnummer wählen? Der Wachmann lässt mich keinen Moment aus den Augen.«
    Zwei Tage später hörte ich Lärm vor meiner Tür. Es war ein Techniker von Pacific Bell. Was zum Teufel hatte der hier zu suchen? Er installierte in der Korridorwand gegenüber meiner Zelle eine Telefondose, und als ich das nächste Mal telefonieren wollte, fand ich auch heraus, warum: Der Wachmann brachte ein Telefon mit einem fünf Meter langen Telefonkabel, steckte es in die Dose ein, wählte dann die genehmigte Nummer, die ich wollte, und reichte mir den Hörer durch den Schlitz in der schweren Stahltür zu meiner Zelle. Das eigentliche Telefon war für mich nicht zu erreichen. Diese Arschlöcher!
    Bonnie war nicht nur am Telefon eine wichtige Stütze für mich. Dreimal die Woche fuhr sie nach der Arbeit den langen Weg zum Gefängnis und nahm dann geduldig die sehr lange

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