Das Phantom im Netz
Auftragskiller ein Gewehr« – das schreiben sie über jemanden, dessen einzige Waffen Programmcode und Social Engineering waren!
Aber ich hatte noch eine weitere Chance, meinen Fall darzulegen. Die Anhörung vor dem Haftrichter betraf ja nur die Entscheidung über Untersuchungshaft. Danach wird der Fall per Zufallsverfahren an einen Bundesrichter verwiesen. Man sagte mir, ich hätte Glück gehabt, an Richterin Mariana Pfaelzer zu geraten. Keine Ahnung, warum.
Mein neuer Pflichtverteidiger, Alan Rubin, vertrat die Auffassung, dass ich nicht in einer Einzelzelle untergebracht werden sollte, die nur für Insassen gedacht war, die im Gefängnis gewalttätig waren oder für das Gefängnis selbst eine Gefahr darstellten. Richterin Pfaelzer sagte: »Aber genau da gehört er hin.«
Also brachte man mich ins brandneue, gerade erst eröffnete Federal Metropolitan Detention Center, ein Untersuchungsgefängnis im Zentrum von Los Angeles, wo man mich in den 8. Stock eskortierte, Trakt 8 Nord. Mein neues Zuhause war etwa zweieinhalb mal drei Meter groß, schlecht beleuchtet, mit einem schmalen senkrechten Schlitz als Fenster, durch den ich Autos und den Bahnhof sehen konnte, außerdem freie Menschen und das Metro Plaza Hotel, in dem ich sehr viel lieber gewesen wäre, so schäbig es auch war. Die Wachleute oder andere Gefangene konnte ich nicht sehen, denn die Tür hatte kein Gitter, sondern bestand aus massivem Stahl. Es gab nur einen kleinen Schlitz, durch den Tabletts mit Essen geschoben wurden.
Das Schlimmste war die Einsamkeit. Gefangene, die für längere Zeit in Einzelhaft sitzen, verlieren oft den Kontakt zur Wirklichkeit. Manche erholen sich nie mehr davon. Sie verbringen den Rest ihres Lebens in einer vagen Traumwelt und sind unfähig, in der Gesellschaft zu funktionieren oder einer Arbeit nachzugehen. Man bekommt eine Ahnung davon, wie sich das anfühlt, wenn man sich vorstellt, 23 Stunden am Tag in einem Wandschrank, der von einer einzigen 40-Watt-Birne beleuchtet wird, eingesperrt zu sein.
Jedes Mal, wenn ich meine Zelle verließ, und sei es, um die drei Meter bis zur Dusche zu gehen, wurden mir Fußketten und Handschellen angelegt. Man behandelte mich, als hätte ich einen Wachmann tätlich angegriffen. Für meinen »Freigang« schlurfte ich einmal am Tag zu einer Art Käfig im Freien, der etwa doppelt so groß war wie meine Zelle. Dort verbrachte ich eine Stunde lang an der frischen Luft und machte ein paar Liegestützen.
Wie ich das überlebte? Die Besuche von meiner Mutter, meinem Vater, meiner Oma und meiner Frau waren die einzigen Lichtblicke. Meinen Kopf irgendwie zu beschäftigen, war meine einzige Rettung. Ich saß nicht in Einzelhaft, weil ich gegen Gefängnisregeln verstoßen hatte, daher wurden die strengen Richtlinien für mich ein wenig gelockert. Ich durfte Bücher und Zeitschriften lesen, Briefe schreiben und auf meinem Walkman Radio hören (am liebsten hörte ich den Nachrichtensender KNX 1070 News und klassische Rocksongs). Das Schreiben aber war schwierig, denn ich hatte nur einen Bleistiftstummel, mit dem man höchstens ein paar Minuten am Stück schreiben konnte.
Aber sogar in Einzelhaft, und trotz aller Vorkehrungen des Gerichts, kam ich doch noch zu ein bisschen Phone Phreaking. Ich durfte das Telefon benutzen, um meinen Anwalt, meine Mutter, meinen Vater und Tante Chickie anzurufen, und natürlich Bonnie, allerdings nur zu Hause in ihrer Wohnung, nicht bei der Arbeit. Manchmal sehnte ich mich tagsüber danach, mit ihr zu reden. Für jeden Telefonanruf wurden mir Fesseln angelegt, und ich wurde in einen Korridor geführt, in dem nebeneinander an der Wand drei Münztelefone hingen. Dann nahm mir ein Wachmann die Handschellen ab, und er setzte sich auf einen Stuhl knapp zwei Meter entfernt mit Blick auf die Telefone.
Es schien unmöglich, jemanden anzurufen, der nicht in der gerichtlichen Anordnung aufgelistet war. Dazu hätte ich schon den Wachmann bestechen müssen – und wenn ich das getan hätte, hätte man mir auf jeden Fall auch noch die wenigen Hafterleichterungen, die man mir zugestanden hatte, sofort gestrichen.
Aber vielleicht gab es doch einen Weg, Bonnie bei der Arbeit anzurufen? Ich hatte einen Plan. Er war ziemlich riskant, aber was hatte ich schon zu verlieren? Ich saß ja bereits in Einzelhaft, galt als Bedrohung für die nationale Sicherheit. Tiefer konnte ich nicht mehr sinken.
Ich sagte zu dem Wachmann: »Ich möchte meine Mutter anrufen«, und er schlug die
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