Das Phantom im Netz
so. Am Anfang war es hart für mich, aber mit seiner Unterstützung schaffte ich es. Damit begann eine radikale Veränderung in meiner Lebensführung, durch die ich, zumindest körperlich, ein neuer Mensch wurde.
Als ich einmal auf einer Holzbank saß und darauf wartete, telefonieren zu können, setzte sich Ivan Boesky neben mich, einen Becher Kaffee in der Hand. Jeder wusste, wer er war: ein ehemaliger Milliardär und Finanzgenie, der wegen Insiderhandels verurteilt worden war. Und wie sich herausstellte, wusste er auch, wer ich war: »Hey, Mitnick«, sagte er. »Wie viel Geld hast du eigentlich mit deinen Computerhacks gemacht?«
»Ich hab das nicht wegen des Geldes gemacht. Ich hab’s gemacht, weil’s mir Spaß gemacht hat«, antwortete ich.
Daraufhin meinte er: »Du sitzt im Gefängnis und hast noch nicht einmal Geld damit verdient. Ist das nicht ziemlich idiotisch?« Richtig von oben herab. In genau dem Moment sah ich eine Kakerlake, die in seinem Kaffee schwamm. Ich wies ihn grinsend darauf hin und sagte: »Das hier ist nicht gerade das Hilton, oder?«
Ich bekam nie eine Antwort. Boesky stand einfach auf und ging.
Nach fast vier Monaten in Lompoc stand meine Verlegung in den offenen Vollzug an einem Ort namens »Beit T’Schuvah« unmittelbar bevor. Mir wurde gesagt, der Name sei hebräisch und bedeute »Haus der Umkehr«. In Beit T’Schuvah arbeitete man mit dem Zwölf-Schritte-Programm, das für Leute mit Drogen-, Alkohol- oder anderen Suchtproblemen aufgestellt worden war.
Mein bevorstehender Umzug in den offenen Strafvollzug war die gute Nachricht. Die schlechte war, dass sich ein Bewährungshelfer bei Bonnie für eine »Inspektion« ihrer Wohnung angekündigt hatte und erklärte, dass man meine zukünftigen Lebensverhältnisse überprüfen müsse, bevor man mich entließ. Für Bonnie brachte dies das Fass zum Überlaufen. Sie hatte genug durchgemacht und wollte bei dem Spiel nicht mehr mitspielen. »Sie müssen sich meine Wohnung nicht ansehen«, sagte sie zu dem Bewährungshelfer. »Mein Mann wird hier nicht wohnen.« Bei ihrem nächsten Besuch überbrachte sie mir die schlechte Nachricht: Sie hatte die Scheidung eingereicht.
Heute sagt sie: »Es war eine sehr schmerzliche Zeit für mich. Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben. Es war einfach furchtbar. Ich hatte Angst davor, Kevin zu verlassen, aber ich hatte auch Angst davor, es nicht zu tun. Die Angst davor, dass alles so weiterging, hat am Ende gewonnen.«
Ich war fassungslos. Wir hatten vorgehabt, den Rest unseres Lebens gemeinsam zu verbringen, und jetzt hatte sie es sich anders überlegt, so kurz vor meiner Entlassung. Ich hatte das Gefühl, als hätte jemand eine Tonne Ziegelsteine über mich ausgekippt. Ich war verletzt und stand unter Schock.
Bonnie willigte ein, es mit ein paar Stunden Eheberatung zu versuchen. Sie halfen nicht.
Ihre Entscheidung, unsere Ehe zu beenden, traf mich tief. Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Es muss einen anderen Mann geben, dachte ich, einen dritter Mitspieler. Ich kam auf die Idee, die Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter abzuhören und so herauszufinden, wer es war. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, aber ich musste es einfach wissen.
Ich wusste, dass Bonnie einen Anrufbeantworter von RadioShack hatte, denn ich hatte die Melodie erkannt, mit der Anrufer aufgefordert wurden, eine Nachricht zu hinterlassen. Ich wusste außerdem, dass man bei diesem Modell die Nachrichten auch per Fernabfrage abhören konnte, aber nur, wenn man das Zusatzgerät hatte, das über eine spezielle Tonfolge die Wiedergabe aktivierte. Wie konnte ich das umgehen und die Nachrichten ohne dieses Gerät abhören?
Ich rief bei einem RadioShack-Händler an und beschrieb Bonnies Anrufbeantworter. Dann behauptete ich, ich habe das Gerät für die Fernabfrage verloren und müsse ein neues kaufen. Der Verkäufer erklärte mir, es gebe vier verschiedene Geräte für die jeweiligen Modelle dieses Typs Anrufbeantworter – A, B, C und D – und dass jedes Modell auf eine andere Tonfolge eingestellt sei. Ich sagte: »Ich bin Musiker und habe daher ein gutes Gehör.« Er wollte, dass ich zu ihm in den Laden kam, aber ich durfte das Gebäude nicht verlassen, weil das in den ersten dreißig Tagen nach der Ankunft nicht erlaubt war. Ich bat ihn, je einen Anrufbeantworter von jedem Modell aufzumachen, Batterien in das Gerät für die Fernabfrage einzulegen und mir dann die Melodien vorzuspielen.
Meine Hartnäckigkeit zahlte sich aus:
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