Das Phantom im Netz
Nachforschungen.
Das geheimnisvolle SAS war genau das, was in meinem Leben gefehlt hatte: ein Rätsel, das gelöst werden wollte, ein riskantes Abenteuer. Ich konnte kaum fassen, dass ich in all den Jahren des Phone Phreaking noch nie davon gehört hatte. Das machte es besonders reizvoll. Ich dachte nur: »Wow, das muss ich einfach rauskriegen!«
Ich hatte früher den Büros der Telefonfirmen selbst nächtliche Besuche abgestattet, jedes Handbuch, an das ich rankam, gelesen und seit meiner Highschool-Zeit Angestellte von Telefonfirmen per Social Engineering hereingelegt. Dadurch wusste ich ziemlich viel über die verschiedenen Abteilungen, Prozesse, Vorgehensweisen und internen Telefonnummern bei Pacific Bell. Wahrscheinlich gab es in der Firma selbst nur wenige Menschen, die sich mit der Arbeitsorganisation besser auskannten als ich.
Ich rief also bei verschiedenen internen Abteilungen an. Mein Spruch lautete: »Ich arbeite in der Entwicklung. Wird bei Ihnen SAS verwendet?« Nach einem halben Dutzend Anrufen fand ich in einem Büro in Pasadena jemanden, der wusste, wovon ich sprach.
Viele Menschen wüssten wahrscheinlich nicht, wie sie an die gewünschten Informationen herankommen sollten. Ich wollte wissen, wie ich Zugang zum SAS bekommen konnte und über welche Befehle das System gesteuert wurde. Aber ich wollte dabei vorsichtiger vorgehen als Eric und Kevin Poulsen. Ich wollte dafür nicht physisch eine Einrichtung von Pacific Bell betreten müssen.
Ich bat den Typen in Pasadena, der sich mit dem SAS auskannte, das Handbuch aus dem Regal zu holen und mir das Impressum vorzulesen.
Das Impressum?
Genau. Denn dadurch erfuhr ich den Namen der Firma, die das Produkt entwickelt hatte. Dann aber hatte ich ein Problem. Die Firma gab es nicht mehr.
In der LexisNexis-Datenbank sind massenweise Online-Daten über alte Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, rechtliche Unterlagen und Firmeninformationen gespeichert. Und dass eine Firma pleitegegangen war, bedeutete natürlich nicht, dass man bei LexisNexis alle Daten über sie gelöscht hatte. Ich fand dort die Namen einiger Mitarbeiter, die für die Firma, die SAS entwickelt hatte, gearbeitet hatten, darunter den eines leitenden Angestellten. Die Firma hatte ihren Sitz in Nordkalifornien gehabt. Ich suchte unter dem Namen des leitenden Angestellten im Telefonverzeichnis dieser Gegend und stieß auf seine Telefonnummer.
Er war zu Hause, als ich anrief. Ich sagte, ich arbeitete in der Entwicklung von Pacific Bell, wir wollten ein paar Anpassungen an unserer »SAS-Infrastruktur« vornehmen, und ich suchte jemanden, der sich mit der Technologie auskannte. Er schöpfte keinen Verdacht. Er meinte, es würde ein paar Minuten dauern. Als er wieder ans Telefon kam, gab er mir den Namen und die Telefonnummer des leitenden Ingenieurs des Entwicklerteams.
Jetzt musste ich vor dem entscheidenden Anruf nur noch eines erledigen: Damals begannen alle internen Telefonnummern bei Pacific Bell mit dem Präfix 811, und jeder, der mit der Firma geschäftlich zu tun hatte, wusste das wahrscheinlich. Ich hackte mich in den Hauptverteiler von Pacific Bell, aktivierte eine unbenutzte 811-Nummer und richtete eine Anrufweiterschaltung auf die Nummer ein, die ich an dem Tag für mein Handy benutzte.
An den Namen, unter dem ich den Entwickler anrief, kann ich mich noch erinnern: Marnix van Ammers. So hieß ein Techniker bei Pacific Bell tatsächlich. Ich erzählte dem Entwickler dieselbe Geschichte von den Anpassungen, die wir an unseren SAS-Einheiten durchführen mussten. »Ich habe das Handbuch«, erzählte ich ihm, »aber es hilft uns in dem Fall nicht weiter. Wir brauchen die eigentlichen Protokolle, die für die Kommunikation zwischen unseren SAS-Testanlagen und den Vermittlungsstellen gelten.«
Ich hatte den Namen eines leitenden Angestellten seiner alten Firma erwähnt und benutzte den Namen eines echten Technikers bei Pacific Bell. Und ich klang nicht nervös, verhaspelte mich nicht. Nichts an meinem Anruf ließ seine Alarmglocken schrillen. Er sagte: »Vielleicht habe ich die Dateien noch auf meinem Computer. Bleiben Sie bitte kurz dran.«
Nach ein paar Minuten war er wieder am Telefon. »Okay. Ich habe sie gefunden. Wohin soll ich sie schicken?«
Aber dafür hatte ich keine Geduld. »Ich stehe hier ziemlich unter Druck«, erwiderte ich. »Können Sie sie mir faxen?« Er meinte, es sei viel zu viel Material, um alles zu faxen. Aber er bot an, mir die seiner Meinung nach wichtigsten
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