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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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unternehmen, gelegentlich zum Gottesdienst in die Synagoge gehen –, war aus dem Tritt geraten. Ich wusste, dass mein Einzug zu Problemen führen würde – es war noch nie einfach gewesen, mit ihm auszukommen –, aber davon ließ ich mich nicht abhalten. Er brauchte mich.
    Ich erschrak, als er mir die Tür öffnete. Er sah verstört aus, und sein Gesicht war grau. Er war ein emotionales Wrack. Dad wurde langsam kahl, war glatt rasiert und etwa mittelgroß, aber an dem Abend wirkte er kleiner.
    Die Polizei hatte ihn bereits informiert: »In solchen Fällen gibt es keine Untersuchung.«
    Ihnen war jedoch aufgefallen, dass Adams Schuhe aussahen, als seien sie von einer Person zugebunden worden, die ihm gegenüberstand, nicht von ihm selbst. Bei einer genaueren Untersuchung war in seinem rechten Arm eine Einstichstelle entdeckt worden, die darauf hindeutete, dass ihm jemand anderes die tödliche Dosis gespritzt hatte. Er war Rechtshänder, und daher wäre es absolut unnatürlich für ihn gewesen, sich die Spritze mit links zu setzen. Offenbar war jemand bei ihm gewesen, als er starb. Jemand hatte ihm diesen tödlichen Schuss gesetzt, entweder mit schlechtem Stoff oder viel zu viel, dann seine Leiche ins Auto verladen, ihn zu einem heruntergekommenen, drogenverseuchten Teil von Los Angeles gefahren und sich aus dem Staub gemacht.
    Wenn die Polizei nichts unternahm, musste ich eben auf eigene Faust ermitteln.
    Ich zog in Adams altes Zimmer ein und stürzte mich auf die Telefonabrechnungen. Meine Hauptverdächtigen waren die beiden Menschen, die ich als Erstes angerufen hatte, nachdem ich es von Dad erfahren hatte: Adams bester Freund, Kent, mit dem er an seinem letzten Wochenende verabredet war; und, leider, mein Onkel Mitchell, der bereits sein eigenes Leben durch Drogen zerstört hatte. Zwischen Adam und Onkel Mitchell hatte sich eine enge Beziehung entwickelt. Mein Dad ahnte, dass Mitchell etwas mit Adams Tod zu tun gehabt hatte, vielleicht sogar dafür verantwortlich war.
    Bei der Beerdigung war Adam in einem separaten Raum aufgebahrt. Ich ging allein zu seinem offenen Sarg. An der Beerdigung von jemandem teilzunehmen, der mir nahe stand, war eine neue und bittere Erfahrung für mich. Ich weiß noch, wie anders er aussah – nicht wiederzuerkennen. Ich hoffte die ganze Zeit, ich sei in einem furchtbaren Albtraum gefangen. Ich war allein in einem Raum mit meinem einzigen Bruder, und ich würde nie wieder seine Stimme hören. Ich weiß, es ist ein Klischee, aber durch meine Trauer wurde mir klar, wie wenig Zeit wir in diesem Leben tatsächlich haben.
    Zunächst musste ich in L.A. Kontakt mit dem Bewährungshelfer aufnehmen, an den mein Fall verwiesen worden war, Frank Gulla. Er war Ende vierzig, durchschnittlich gebaut und hatte eine freundliche, ruhige Art. Er sah sogar die Vorschriften entspannt – zum Beispiel bestand er nicht auf den »vorgeschriebenen« monatlichen Treffen, nachdem er mich kennengelernt hatte. Wenn ich dann schließlich in seinem Büro auftauchte, ließ er mich alle ausstehenden Monatsberichte ausfüllen, und wir datierten sie zurück. Wahrscheinlich sah er das bei Typen, die wegen schwererer Verbrechen angeklagt waren, nicht ganz so locker, aber ich war dankbar, dass er mir so viel Freiheit ließ.
    Ich stürzte mich in die Ermittlungen. Dad und ich vermuteten, dass Adams Freund Kent mehr wusste, als er uns sagte. Vielleicht erleichterte er sein Gewissen gegenüber anderen Leuten? Und wenn er das tat, war er vielleicht leichtsinnig genug, es übers Telefon zu tun? Ich fuhr mit meinem Freund Alex nach Long Beach, wo Kent wohnte. Wir schnüffelten ein wenig bei einem nahe gelegenen Wohnkomplex he­rum, bis ich fand, was ich suchte: eine nicht vergebene Telefonleitung. Es brauchte nur einen Anruf bei der Ortsvermittlung, und schon legte ein Techniker eine Verbindung von Kents Anschluss auf die unbenutzte Leitung. Dadurch entstand ein Nebenanschluss zu Kents Telefon, von dem dieser nichts wusste. Alex und ich installierten einen Kassettenrekorder mit Stimmaktivierung im Hausverteilerkasten der Telefongesellschaft, mit dem wir jedes Gespräch, das über Kents Telefon geführt wurde, aufnahmen.
    In den folgenden Tagen fuhr ich immer wieder die eineinhalb Stunden von der Wohnung meines Dads zu dem Wohnblock in Long Beach, wo wir den Rekorder versteckt hatten. Jedes Mal tauschte ich das Band vom Vortag gegen ein leeres aus und legte die Kassette in meinen tragbaren Kassettenspieler, um mir Kents

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