Das Phantom von Manhattan - Roman
dabei zu. Ein komisches Spielzeug für einen Zwölfjährigen, der bald dreizehn wird. Ein Baseballhandschuh, das könnte ich ja noch verstehn, aber ein Spielzeugaffe?
Und noch dazu ein höchst merkwürdiger Affe. Er sitzt auf einem Stuhl und hält mit ausgestreckten Armen zwei Messingbecken vor sich. Dann kapiere ich, daß das Ding ein mechanisches Spielzeug mit einem Schlüssel zum Aufziehen ist. Und wie sich zeigt, ist es auch eine Art Spieluhr, denn als der Junge es aufzieht, beginnen sich die Arme des Affen zu
bewegen, als schlüge er die Becken aneinander, während in seinem Inneren eine Melodie klimpert. Die erkenne ich problemlos: »Yankee Doodle Dandy«.
Nun fängt der Junge an, sich dafür zu interessieren, hält den Affen hoch, betrachtet ihn von allen Seiten und versucht rauszukriegen, wie er funktioniert. Als das Uhrwerk abläuft, zieht er’s noch mal auf, und die Musik beginnt von neuem. Nach einiger Zeit beschäftigt er sich mit dem Rücken des Affen und hebt ein Stück Plüschfell hoch, unter dem eine kleine Abdeckplatte sichtbar wird. Dann kommt er zu mir herüber und spricht mich sehr höflich auf englisch an. »Haben Sie ein Taschenmesser, Mon-sewer?« fragt er. Natürlich habe ich eins. In unserem Beruf braucht man immer spitze Bleistifte. Also leihe ich ihm mein Messer. Aber statt damit den Affen aufzuschlitzen, benutzt er es als Schraubenzieher, um vier kleine Schrauben aus seinem Rücken rauszudrehen. Jetzt hat er den Mechanismus in seinem Inneren vor sich. Gleich ist das Ding kaputt, denke ich. Aber der Junge hat Grips und will nur sehen, wie es funktioniert. Ich dagegen habe Mühe zu kapieren, wie ein Büchsenöffner geht.
»Sehr interessant«, sagt er und zeigt mir das Innere, das mir wie ein Durcheinander aus Zahnrädern, Stangen, Glöckchen, Scheiben und Federn erscheint. »Sehen Sie, mit dem Schlüssel wird eine Stahlfeder gespannt - wie in einer Uhr, nur größer und stärker.« »Tatsächlich«, sage ich und wünsche mir bloß, er würde das Ding wieder zuschrauben und den »Yankee Doodle« spielen, bis seine Mama soweit ist. Aber nein.
»Die in der Feder gespeicherte Kraft wird durch Zahnräder auf diesen Drehteller hier unten übertragen. Auf dem Teller liegt eine Metallscheibe mit aufgelöteten verschieden hohen Stiften.«
»Nun, das ist großartig«, sage ich. »Wie wär’s, wenn du alles wieder zusammenschrauben würdest?« Aber er redet weiter und runzelt nachdenklich die Stirn, während er versucht, die Funktionsweise zu enträtseln. Dieser Junge versteht wahrscheinlich sogar Automotoren. »Dreht die mit Stiften besetzte Scheibe sich, hebt jeder Stift einen federbelasteten Stößel an, der dann freigegeben wird und beim Zurückschnellen eine dieser kleinen Glocken anschlägt. Die Glöckchen sind unterschiedlich gestimmt, deshalb muß die richtige Reihenfolge eine Melodie ergeben. Haben Sie schon mal ein Glockenspiel gesehen, M’sieur?«
»Ja, das kenne ich. Zwei oder drei Kerle stehen nebeneinander hinter einem langen Tisch auf Böcken mit verschiedenen Glocken. Sie ergreifen eine, lassen sie einmal erklingen und stellen sie wieder ab. Halten sie die richtige Reihenfolge ein, können sie so Musik machen.«
»Das ist das gleiche Prinzip«, sagt der Junge.
»Nun, das ist wunderbar«, sage ich. »Was ist, willst du das Ding nicht wieder zusammenschrauben?« Aber nein, er will es gründlicher erforschen. Sekunden später hat er die Stiftscheibe herausgezogen und hält sie hoch. Sie hat etwa die Größe eines Silberdollars und ist dicht mit kleinen Stiften besetzt. »Sehen Sie, der Affe kann zwei Melodien spielen -
eine für jede Seite der Stiftscheibe.« Nur bin ich längst davon überzeugt, daß dieser Affe nie mehr spielen wird.
Aber er legt die Scheibe wieder hinein, stochert mit der Messerspitze im Inneren herum, um sich zu vergewissern, daß sich alles berührt, was sich berühren soll, und schraubt den Deckel wieder fest. Dann zieht er das Spielzeug auf, stellt es auf den Tisch und tritt zurück. Der Affe beginnt die Arme zu bewegen und wieder Musik zu machen. Diesmal spielt er eine Melodie, die ich nicht kenne. Aber jemand anders erkennt sie.
Im Schlafzimmer ist ein Aufschrei zu hören, und plötzlich steht die Sängerin in der Tür: in einem Spitzennegligé, mit aufgelöstem Haar und wie eine Million Dollar aussehend - bis auf ihren Gesichtsausdruck, der dem eines Menschen gleicht, der eben ein riesiges, sehr beängstigendes Gespenst gesehen hat. Sie starrt den
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