Das Philadelphia-Komplott
alle Hände voll zu tun.
Sie hatte fast zwei Stunden benötigt, um Tuckerton und den Great Bay Boulevard zu erreichen, den die Einheimischen Sieben Brücken Straße nannten. Außer ein paar hell erleuchteten Häusern hier und da, die Syd den Weg wiesen, war sie vollkommen allein auf der Straße.
Als sie den Yachthafen von Skinner passierte, begann sie, die Brücken zu zählen, wobei sie das Haus – selbst bei diesem Wetter – kaum verfehlen konnte. Im Gegensatz zu seinem Namen gab es nur fünf Brücken auf dem Great Bay Boulevard. Gregs Haus lag zwischen der vierten und der fünften, mit Blick über die Wattlandschaft und die große Bucht. Nach langwierigen Verhandlungen mit einem zähen Verkäufer hatte er vor zwölf Jahren die alte Northshore Marina von einer einheimischen Familie gekauft und sie zu einem spektakulären Sommerhaus umgebaut, das später sogar in
Architectural Digest
abgebildet worden war.
Sie hatte hier viele schöne Wochenenden mit Greg verbracht. Da sie kein großes Interesse an Bootsfahrten hatte, war sie vollkommen zufrieden damit gewesen, sich an den Strand zu legen, zu lesen, und sich in der Sonne zu bräunen, während Greg mit seinem Boot
Mermaid II
die Küsten auf und ab gesegelt war.
Endlich sah sie das Haus in der Ferne auftauchen. Es war riesig und aus den Fenstern fiel Licht in die Dunkelheit – es schien wie ein Leuchtturm durch das dichte Schneegestöber.
In Schrittgeschwindigkeit kämpfte sie sich bis zur Einfahrt durch und hielt so nah wie möglich vor der Tür an. Der Wind zerrte an ihren Haaren und wehte ihr unbarmherzig ins Gesicht, als sie auf das Haus zulief.
Sie läutete an der Tür. Als niemand öffnete, klingelte sie wieder.
“Ist ja gut, ist ja gut”, rief Greg von innen. “Ich komm ja schon.” Die Tür schwang auf. “Syd!”
Seinem Outfit nach zu urteilen – Jogginghose, ein graues Sweatshirt, weiße Socken und keine Schuhe – hatte er keinen Besuch mehr erwartet. Hinter ihm prasselte ein Feuer im Kamin, und auf dem Couchtisch lagen dicke Aktenstapel neben einem Laptop.
“Hi.” Unter seinem erstaunten Blick fühlte sie sich auf einmal seltsam unsicher. “Ich weiß, dass es komisch aussehen muss, aber ich muss mit dir reden. Es ist sehr wichtig. Und sehr dringend. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber die Leitungen waren tot.”
“Sie funktionieren jetzt wieder, aber nun steh da nicht so rum bei diesem Wetter. Komm rein.” Er breitete die Arme aus. “Gib mir deinen Mantel.”
Er half ihr aus dem Mantel und schüttelte ihn vor der Tür aus, bevor er ihn an die antike Garderobe hängte. “Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee? Ich habe gerade welchen gekocht.”
“Danke.” Sie rieb ihre kalten Hände aneinander. “Das klingt toll, allerdings …”
“Allerdings was?”
“Ich war mir nicht sicher, ob du mich überhaupt noch sehen willst.”
“Du meinst wegen des Treffens, bei dem du mein Ego zerstört hast?”
Sie lächelte. “So ungefähr.”
“Ich muss zugeben, ich war verletzt, vor allem als ich sah, wie du diesen … Nachbarn geküsst hast. Außer es war nur, um mich eifersüchtig zu machen. In diesem Fall …”
“Das war meine Art, dir zu zeigen, dass ich auf meinem Weg weitergegangen bin.”
“Ich verstehe.” Er sah enttäuscht aus, schaffte es aber dennoch, ein fröhliches Gesicht zu machen. Er deutete in Richtung Kamin. “Geh dich ein wenig aufwärmen. Ich hole nur schnell den Kaffee.”
Sie ging hinüber zum Feuer und ließ ihren Blick über die teure, cremefarbene Ledercouch, den riesigen Flachbildschirm an der Wand und das handgefertigte Cabinet, das die neueste Hifianlage beherbergte, gleiten – eine beeindruckende Sammlung von DVDs füllte die unteren beiden Regale.
Kurz darauf kehrte Greg zurück, in der Hand einen großen Becher mit starkem aromatischen Kaffee, wie sie ihn immer in der Zeit der Examensvorbereitung getrunken hatte. Sie hielt den Becher in beiden Händen und nahm einen vorsichtigen Schluck.
“Und? Erinnerst du dich?”, fragte er.
“Woran soll ich mich erinnern?”
“An den Kaffee. Es ist der Arabica, den du so magst. Ich habe ihn durch dich kennen gelernt. Kannst du dich
nicht
mehr daran erinnern?”
Nein, das konnte sie nicht – die Wahrheit war, dass sie erfolgreich versucht hatte, ihre
gesamte Beziehung
mit Greg Underwood zu verdrängen. “Doch, doch natürlich kann ich das noch”, log sie. Sie trank einen Schluck. “Ich hoffe, dass ich dich nicht zu genauso einem Kaffeefreak
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