Das Portal der Dämonen - Connolly, J: Portal der Dämonen - The Gates
geschafft hatte. Aber noch mehr hatte es ihn überrascht, dass auch er mit nur ein paar kleineren Blessuren davongekommen war. Immerhin geschah es ja nicht alle Tage, dass einer in der verkehrten Richtung mit einem Tuch über dem Kopf und in einem sehr schnellen Auto durch ein interdimensionales Portal fuhr. Nurd hatte sich schon zurechtgelegt, was er sagen würde, falls ihn irgendwelche neugierigen Dämonen fragen sollten, wie das Auto hierhergekommen sei. Vorausgesetzt es käme überhaupt einer auf die Idee, in der Ödnis herumzuschnüffeln, wo doch die Hölle sehr groß war und es viel interessantere Plätze gab. Aber falls doch einer fragte, dann würde Nurd einfach sagen, es sei vom Himmel gefallen. Wer würde schon auf die Idee kommen und Nurd, den unfähigsten aller Dämonen, verdächtigen, den Großen Verderber und seine Invasionsarmee in die Flucht geschlagen zu haben.
»Was kann es?«, fragte Wermut.
»Es fährt. Sehr schnell.«
»Aha. Und wir sehen zu, wie es schnell fährt, nicht wahr?« Das fand Wermut komisch, wenn auch nicht allzu komisch. Eigentlich freute er sich darüber, dass Nurd wieder da war. Ohne ihn war es ziemlich ruhig gewesen und auch auf dem Thron saß man nicht sehr bequem. Seltsam. So lange hatte sich Wermut danach gesehnt, auf diesem Thron zu sitzen, und als es dann endlich so weit war, fand er es gar nicht mehr so toll.
»Nein, Wermut«, antwortete Nurd geduldig. Sein Ausflug in die Welt der Menschen und sein Zusammentreffen mit Samuel hatten ihn milder gestimmt und er neigte jetzt nicht mehr dazu, gleich auf Wermut einzuprügeln, nur weil er etwas begriffsstutzig war. Allerdings hatte er das Gefühl, seine Güte würde nicht lange währen. »Wir setzen uns hinein und dann fahren wir auch schnell.«
Wermut schaute zweifelnd, aber schließlich ließ er sich dazu überreden, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Er legte den Sicherheitsgurt an und blickte besorgt. Neben ihm saß Nurd und ließ den Motor an. Er brummte wohltuend.
»Wohin fahren wir?«
»Irgendwohin«, antwortete Nurd. »Es ist überall besser als hier.«
»Und wie weit werden wir kommen?«
Nurd zeigte auf einen der blubbernden schwarzen Tümpel, die die Eintönigkeit der Landschaft in der Ödnis auflockerten.
»Siehst du diesen Tümpel, Wermut?«
Wermut nickte. Er hatte schon so lange auf die Tümpel geschaut, dass sie ihm fast wie Freunde vorkamen. Wenn er sein Geburtsdatum wüsste, würde er sie zu seiner Geburtstagsparty einladen.
»Das Zeug da drin hat erstaunlich viel Ähnlichkeit mit dem Stoff, der dieses Auto antreibt«, fuhr Nurd fort. »Die Hölle, Wermut, steht uns offen.«
»Was meinst du mit offen stehen ?«
Nurd wusste es auch nicht, er hatte den Satz auf einem Plakat im Verkaufsraum des Autohauses gelesen und er fand, es klang gut, aber schon jetzt begann er seinen Entschluss, Wermut nicht mehr so oft zu schlagen, zu bereuen.
»Spielt keine Rolle«, antwortete er. Er zog eine Tüte aus seiner Tasche. Darin waren die letzten Weingummis, die Samuel ihm geschenkt hatte. Nurd hatte sie gut aufgehoben. Jetzt gab er einen davon Wermut und den letzten nahm er selbst.
»Auf Samuels Wohl«, sagte er.
Wermut, dem Nurd so viel von dem Jungen erzählt hatte, wiederholte, was sein Meister gesagt hatte.
»Auf Samuels Wohl.«
Das Multiversum ist unbeschreiblich riesig, dachte Nurd, aber es ist klein genug, dass zwei Fremde wie Samuel und er selbst sich darin treffen und Freunde werden können.
Gemeinsam fuhren Nurd und Wermut davon. Das Auto wurde kleiner und kleiner, bis es in der Ferne verschwunden war. Zurück blieben nur ein Thron, ein Zepter und eine alte, verrostete Krone.
John Connolly, geboren in Dublin, wurde weltweit berühmt durch seine »Charlie Parker«-Thrillerserie. All seine Romane stürmten die Bestsellerlisten und als erster Nichtamerikaner gewann er den Shamus Award . »Das Portal« ist sein erstes Kinderbuch.
© Hugh Glynn
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