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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dagegen sperre. Und ich fürchte auch, Micha hätte dein freches Mundwerk großen Spaß gemacht.«
    Seitdem telefonierten sie beinahe jeden Tag. Trafen sich. Planten gemeinsame Unternehmungen. Kamen sich näher und näher. Tauschten aus, was sie mochten. Was sie bedrückte. Vertrauten sich kleine und große Geheimnisse an.
    Sie taten sich gut, das stand fest. Gegenseitig. Obwohl oder vielleicht gerade weil sie so unterschiedlich waren – nicht nur äußerlich. Linda nachdenklich, ruhig und ein bisschen schüchtern, Sofie witzig, spontan und wortgewandt. Wie Wasser und Feuer. Oder Sommer und Winter.
    Bald schon konnte sich keine von beiden mehr vorstellen, wie sie es früher ohne die andere ausgehalten hatte. Trotzdem überfiel Sofie beinahe so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil sie den Eindruck hatte, mehr zu nehmen als zu geben, und bisweilen von der Befürchtung geplagt wurde, Linda als eine Art seelische Müllabfuhr zu missbrauchen. Doch diese Bedenken hielten sich nicht lange. Glücklicherweise! Und anschließend war sie heilfroh, dass es in all ihrem Liebesschlamassel, der von Tag zu Tag verworrener wurde, einen festen Felsen namens Linda gab, der sie alles haarklein erzählen konnte.

7
    Linda mochte den Job beim Italiener vom ersten Tag an. Wenngleich die temperamentvolle Wirtin aus Lucca, die ihr Anweisung gab, was zu tun war, schon beim geringsten Anlass die Nerven verlieren konnte. Graziella besaß ganz konkrete Vorstellungen davon, was Gäste in ihrem Etablissement zu tun und zu lassen hatten – und wehe, einer wagte, davon abzuweichen! Es reichte schon, nicht mit dem Besteckkasten zurechtzukommen, geschweige denn, sich an den falschen Platz zu begeben. Vorne, an den hochkant gestellten Fässern, wurden Wein, Kaffee und andere Getränke ausgeschenkt. Wer etwas essen wollte, bekam dies eine Treppe höher serviert, wo das Ehepaar Civitali eine Vielzahl kleiner Tischchen mit unbequemen Barhockern umstellt hatte. Mehr zum Kauern denn zum Sitzen, absolut ungeeignet für Büromenschen mit Rückenproblemen – und trotzdem Abend für Abend heiß umkämpft. Das Tavola calda, wie sie ihr kleines Lokal mit leisem Understatement benannt hatten, konnte sich über mangelnde Besucherzahlen nicht beklagen. Aber egal, wie voll es auch sein mochte, Graziella behielt den Durchblick – und erst recht das gestrenge Oberkommando.
    Â»Sie weg da, ma subito!«, schrie sie aufgebracht in die Menge, wenn einer – und sei es nur versehentlich oder aus Unkenntnis – ausscheren wollte. »Capito? Hier nur trinken, nix mangiare! Hinten Sie essen, wie bei Mamma gelernt!«
    Wenn der Gerüffelte versuchte, seinen Fehler so schnell wie möglich wettzumachen, zeigte Andrea, ihr Mann, sein schiefes, ein bisschen schmerzliches Lächeln. Eigentlich sprach er perfekt Deutsch, für solche Fälle jedoch bediente auch er sich eines seltsamen Gemischs, das, wie er überzeugt war, bei den Gästen besonders gut ankam. »Was iche Armer soll machen? Niente! Non lo so! Questa donna – madonna mia! Einfach zuviel temperamento für eine einzige Mann!«
    Spätestens dann begannen alle im Calda, wie man das Lokal unter Kennern fast schon zärtlich nannte, loszulachen, und die allgemeine Stimmung strebte einem neuerlichen Höhepunkt zu. Was nicht zuletzt auch an den toskanischen Köstlichkeiten lag, die Graziella nun mit Lindas Unterstützung in der winzigen Küche fabrizierte. Die Karte war übersichtlich, aber abwechslungsreich, und jeden Tag standen anderen Spezialitäten auf ihr. Königin der Speisen und immer als erstes ausverkauft war die Bistecca Fiorentina, die von Originalrindern aus dem Chiana-Tal stammte; aber auch Schweinebraten, Wild, Lamm oder Huhn nach Jägerart fanden reißenden Absatz. Zweimal in der Woche gab es Fisch, zum Beispiel Seebarben in Tomaten- und Ölsauce oder die knoblauchduftende Fischsuppe Cacciucco, die ihre spezielle Fan-Gemeinde hatte. Und was die Pasta betraf, so war Graziella ohnehin unerreichte Meisterin aller Klassen.
    Linda hielt den Mund, wenn die Chefin einen ihrer Temperamentsausbrüche bekam, aber sperrte bei der Arbeit Augen und Ohren weit auf. Weil sie geschickt war, wenig Widerworte machte und Gesagtes schon beim ersten mal behielt, wurde sie von Graziella akzeptiert. Mehr noch, es dauerte nicht lange, bis sie ihr eine Dauerstellung anbot, fünf

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