Das Prachtstück
Hätte ich echt nicht von dir gedacht!«
Manchmal machte es ihr richtig SpaÃ, seine Eifersucht zu schüren. »Du hast mir doch selber geraten, Ausschau nach einem echt anhänglichen Typ zu halten«, erwiderte sie dann vielsagend. »Und voilà ! Nichts anderes habe ich getan!«
»Das stimmt. Aber ich habe von Männern gesprochen â nicht von Würstchen mit Pubertätspickeln, Teenagerneurosen und feuchten Träumen!« Er eilte flugs hinunter in die Kantine, um seiner abermals schnöde verschmähten Seele Gutes in Form von rasch tröstenden Kalorienbomben zukommen zu lassen.
Nach solchen Auftritten hielt Sofie natürlich erst recht den Mund. Keinem verriet sie etwas â mit einer Ausnahme.
Und das war Linda Becker.
Sie war zunächst sehr überrascht gewesen, ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören. Und erst recht zu erfahren, dass sie nun in München lebte. Sofie hatte sich sofort erinnert. Obwohl das Interview, bei dem sie sich kennengelernt hatten, inzwischen vier Jahre zurücklag. Damals hatte Feli gerade die ersten Schritte gemacht, die rotblonden Locken zerzaust, die dicken Wangen glühend vor Aufregung über die neu erworbene Freiheit. Damals war Linda blass und still gewesen und erst nach einem langen Gespräch mit Sofie überhaupt bereit, deren Fragen zu beantworten. Hätte es nicht die junge Unfallchirurgin gegeben, die das Treffen vermittelt hatte, Linda wäre vermutlich noch im letzten Moment abgesprungen. Aber sie hatten sich schlieÃlich gut verstanden. Und obwohl sie viel miteinander redeten, auch ohne Worte.
Ein Gefühl, das sich beim Wiedersehen noch verstärkte. Linda kam Sofie selbstbewusster vor, fröhlicher, mutiger. Und Feli, die eher aussah, als wäre sie Sofies Tochter, war einfach hinreiÃend. Als die Kleine endlich dazu zu bewegen war, ins Bett zu gehen, köpften die beiden Sofies mitgebrachten spanischen Sekt und fingen zu reden an.
Linda erzählte von den Jahren bei Marga und Hugo, den Angstzuständen, der Flucht. Den neuen Schwierigkeiten hier, in der fremden Stadt. Von Bruno und Aki. Und von Twister.
Und Sofie erzählte von Hannes.
Und von Fabian.
Von Fa-bi-an!
Lindas Augen begannen zu glänzen. Sie konnte sich nicht satt hören an dem, was sie da erfuhr.
»Wie ich dich beneide«, sagte sie immer wieder. »Das klingt ja vielleicht toll! Fast wie im Kino. Nein, eigentlich noch viel besser.« Dann wurde ihr Gesicht ernst. »Ich glaube, ich könnte das nicht. Nicht das mit Hannes, das meine ich jetzt nicht. Der ist selber schuld, wenn er dich so links liegen lässt. So etwas hält doch keine Frau auf Dauer aus. Ich meine diese Affäre, so heiÃ, so spontan. So unbedingt und hemmungslos. Nein, ganz sicher, niemals könnte ich so etwas!« Sie war ganz nachdenklich geworden. »Vermutlich, weil ich noch immer nicht soweit bin.«
»In Indien verbrennen sie trotz gesetzlicher Verbote vielerorts noch immer die Witwen«, erwiderte Sofie und lieà ihre neue Freundin dabei nicht aus den Augen.
»Für alle Fälle. Damit ja nichts nachkommt. Vielleicht gar keine so verrückte Lösung, wenn man dich so reden hört. Wie lange ist dein Micha noch mal tot?«
Linda erhob sich abrupt. Sie starrte aus dem Fenster.
»Fünf Jahre und fünf Monate«, sagte sie schlieÃlich mit belegter Stimme. Die Schultern hochgezogen, den Rücken kerzengerade wie ein Brett. »Was soll die dumme Frage? Für mich wird er â¦Â«
»⦠immer weiterleben, ich weiÃ. Aber das kann und wird er auch, wenn du dein Herz wieder öffnest. Nach dem, was du mir von ihm erzählt hast, möchte er sicherlich nicht, dass du bis zum Ende deiner Tage im seelischen Dauerfrost lebst, Linda!«
Sie schwieg.
»Meinst du nicht, dass sich deine Feli über einen neuen Vater freuen würde? Einen, der sie richtig liebhat? Und so richtig Quatsch mit ihr anstellt?«
Linda fuhr herum. Mit grünen, wütenden Augen. »Das können wir auch alleine! Was weiÃt du denn schon davon?«
Ein quälend langer, schwieriger Augenblick. Sofie hatte schon befürchtet, die andere würde sie im nächsten Moment zum Gehen auffordern. Dann aber entspannten sich Lindas Züge. Und sie lächelte leicht.
»Ich fürchte, du hast wahrscheinlich sogar recht, Sofie«, sagte sie. »Irgendwann bin ich fällig. Selbst wenn ich mich heute noch
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