Das Prachtstück
abwechselnd in Rage oder Verzweiflung gestürzt hatten. Jetzt war sie regelrecht froh um die Atempausen, die er ihr verschaffte. Waren sie zufälligerweise zusammen zu Hause, genoss sie es sogar, gemeinsam mit ihm vor dem Fernseher zu versumpfen oder bis spät in die Nacht auf dem Balkon Dame oder Mühle zu spielen und sich dabei gegenseitig lauthals der Schummelei zu bezichtigen.
Allerdings nur, bis das Telefon ging und sie wieder Fabians Stimme hörte. Manchmal war sie so aufgeregt, dass sie kaum noch sprechen konnte. Und ihm schien es nicht viel anders zu gehen. Sie umarmten sich leidenschaftlich, wo immer sie sich trafen, schliefen um Mitternacht auf einer taufeuchten Wiese im Englischen Garten miteinander, liebten sich ein anderes Mal in einem riesigen Pool. Oder eben in einer jener traumhaften Behausungen, in die er sie mitnahm. Wie viele es waren, hatte Sofie noch immer nicht herausbekommen. Sie nahm an, es müsse irgendetwas mit seinem Vater zu tun haben, einem, wie er einmal angedeutet hatte, ebenso vermögenden wie schwierigen Mann. Näher nachgefragt hatte sie nicht. Eigentlich wollte sie es nicht einmal bis ins letzte Detail wissen. Es gehörte mit zum Spiel, diesem heiÃen, köstlichen, erregenden Spiel, das sie beide verband.
Sein Anruf. Ihr überstürzter Aufbruch. Und, falls nötig, die Ausreden, die ihr von Mal zu Mal immer leichter fielen. Sie blieb so nah wie möglich an der Wahrheit, erzählte kleine, einfache Geschichten, die ihr schon bald wie von selbst über die Lippen gingen. Die Fahrt zu Fabian. SchlieÃlich das Treffen mit ihm, allenfalls vergleichbar mit dem Zusammenprall zweier glühender Meteoriten im All. Einmal aufregend, einmal romantisch, dann wieder sinnlich prall. Immer neu. Immer anders. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte Sofie März sich so herrlich verworfen gefühlt, so geheimnisvoll abgründig, so ganz begehrenswerte Frau von Kopf bis FuÃ.
Es gelang ihr schlieÃlich, etwas von diesem übersteigerten Lebensgefühl sogar in ihre Arbeit einflieÃen zu lassen. Sie kam zwar zu spät in die Redaktion, ihr unterliefen Patzer, sie vergaà Termine und machte Flüchtigkeitsfehler, über die sie sich sonst geärgert hätte, aber das war nicht entscheidend. Ein Leuchten umgab sie, ein inneres Strahlen ging von ihr aus, so spürbar, so unübersehbar, dass keiner ihrer Kollegen es so richtig schaffte, solch kleine Ausrutscher krummzunehmen. Sogar Pille drehte im letzten Moment noch ab und lieà sie ungeschoren.
Bina Moll hatte den »Traumprinz«-Artikel inzwischen zur Serie umfunktioniert, um, wie sie sagte, jüngere Leserinnenschichten anzusprechen. In Wahrheit dachte sie natürlich an nichts anderes als an neue Werbekunden mit Produkten für kauffreudige Teenies. Deshalb war Sofie noch immer am Ball. Mit nach wie vor gebremster Lust. Aber sie war Profi genug, um zu erledigen, was man von ihr erwartete. Trotzdem vollzog sich auf einmal Erstaunliches: Selbst ihre Interviewpartner, die jugendlichen Stars, schienen Sofies Wandlung mitzubekommen, und einer von ihnen, der Held einer besonders dämlichen Soap, die jeden Nachmittag lief, entwickelte eine fast schon rührende Anhänglichkeit. Tausende von Mädchen in der ganzen Republik träumten von ihm. Er aber wollte nur noch mit Sofie sprechen. Und das am liebsten jeden geschlagenen Tag. Stundenlang!
»Dein süÃer kleiner Marco ist schon wieder dran!«, flötete Helga, die Redaktionssekretärin. »Voller Ungeduld â man spürt ihn förmlich durch den Hörer vibrieren. Wahrscheinlich will er wissen, wann du ihn endlich adoptierst. Scheint es kaum noch erwarten zu können. Hast du ihm eigentlich gestanden, wie alt du bist?«
»Habâ ich«, erwiderte Sofie trocken. »DreiunddreiÃig bis auf den Monat genau. Nützt aber nichts. Manche dieser grünen Kerle würden ihre Seele dafür verkaufen, mit einer reifen Frau wie mir ins Bett zu gehen. Also, stell ihn bitte durch!«
Weil Sofie sonst eisern schwieg und keiner Menschenseele auch nur ein Wort über Fabian verriet, glaubten manche sogar, Marco sei ihr neuer Herzensbube. Lumpi Wagner zum Beispiel. Was immer sie ihm auch versicherte, er lieà sich nicht davon abbringen.
»Schwache Leistung, Sofie, muss schon sagen«, murmelte er bekümmert und setzte seinen beleuchteten Globus in Schwung. »Auf solches Gemüse zurückzugreifen!
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