Das Prachtstück
bald schon deutlich mehr. Um genau zu sein, kamen so viele wie nie zuvor in der nicht allzu langen, dafür aber umso wechselvolleren Geschichte von Alina. Seit einigen Monaten erschien das Heft übrigens alle vierzehn Tage, um, wie sich Pille ausdrückte, »präsenter auf dem Markt zu sein«. SchlieÃlich gab ein männlicher Witzbold in der Redaktionssitzung zum besten, man müsse für die Leserpost demnächst wohl oder übel an die Anschaffung guter alter Waschkörbe denken, um die Flut zu bändigen.
Eine Flut mit Folgen. Und zwar durchaus unterschiedlichen.
Bina Moll heftete sich als verantwortliche Chefredakteurin den Erfolg der »Traumprinz«-Serie nur allzu gern ans eigene Designerrevers. Verleger Pille blieb bei einem seiner wöchentlichen Kontrollgänge plötzlich wie zufällig ein paar Minuten an Sofies Schreibtisch stehen, um mit der jungen Kollegin angelegentlich zu plaudern, die den tollen Riecher gehabt hatte. Die Neider, die jede geglückte Aktion unweigerlich auf den Plan ruft, schlossen sich aufgeregt tuschelnd hinter ihrem Rücken zusammen. Nur Lumpi, gegenüber allem, was nur entfernt nach Gelingen roch, schon aus Prinzip skeptisch, wiegte sorgenvoll sein stattliches Haupt und beklagte sich lauthals über die Kantine, deren Niveau nun endgültig in miserable Tiefen abgerutscht sei.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Sofie allerdings vom bereitwillig gedruckten Blabla ihrer Teenie-Star-Serie bereits die Nase gestrichen voll, gleichgültig, wie gut diese drauÃen auch ankommen mochte. Zunächst unauffällig, schlieÃlich aber immer hemmungsloser verlagerte sie das Schwergewicht ihrer Fragen. Sowohl bei den Fans wie auch bei den jugendlichen Helden. Und erhielt prompt andere Antworten.
Was Bina Moll schwer irritierte.
»Das ist doch nicht Ihr Ernst, liebe Sofie«, sagte sie und wedelte gleich zu Beginn der Redaktionskonferenz bedeutungsschwanger mit der neuesten Version. »Wo ist denn Ihre freche Schreibe geblieben? Ihr Witz? Das Tempo? All der Herzschmerz, auf den unsere jugendlichen Leserinnen so abfahren? Solche Themen â ich fassâ es einfach nicht!« Sie klemmte sich die Lesebrille auf die Nase und begann halblaut vorzutragen:
»Klar langweile ich mich. Oft sogar. Ist das Leben nicht saumäÃig öde? Wenn es nichts zu kaufen gibt, keine Party steigt und nicht einer deiner besten Kumpels gerade Zeit hat â was willste dann schon machen? Rumhängen. Trinken. Sich Fastfood reinschieben. Videos gucken. Versuchen, irgend jemanden anzurufen â¦Â«
Sie schaute aufmunternd in die Runde. »Klingt nicht gerade nach einem Vorbild, an dem sich Millionen von Jugendlichen orientieren, oder?«
Keiner sagte etwas. Ein paar Kollegen begannen vielsagend zu grinsen.
»Na und?«, sagte Sofie. »SchlieÃlich sind wir eine moderne Zeitschrift und nicht das Zentralorgan des Ministeriums für Jugend und Familie! Daher können wir bringen, was wir wollen. AuÃerdem ist dies ein ganz persönliches Statement. Und keineswegs die Meinung der Redaktion.«
»Aber wir tragen durchaus Verantwortung. Für unsere Leserinnen und â¦Â«
»⦠unsere Anzeigenkunden.«
Sofie und Bina Moll funkelten sich an.
»Dafür klingt es wenigstens ehrlich und unverfälscht«, sprang Lumpi Wagner für Sofie in die Bresche. »Scheint doch gar kein so übler Kerl zu sein, dieser Marco. Der lässt klar raus, wie beschissen er alles findet, Star hin oder her. Und spricht damit sicherlich vielen aus der Seele. Findâ ich mutig. Oder, wie die Kids heutzutage sagen, megacool.«
»Ach, tatsächlich, finden Sie, Herr Wagner?« Wie ein aufgebrachter Truthahn fuhr die Moll zu ihm herum.
»Und das hier? Ist das vielleicht auch megacool?«
»âºJa, natürlich habe ich Angst vor dem Sterbenâ¹, bekennt Marco Teurer, Hauptdarsteller der Serie âºJung und schönâ¹, die jeden Nachmittag um 15.30 Uhr läuft. âºUnd ich denke ziemlich viel darüber nach. Eigentlich immer öfter, seitdem mir diese ganzen Mädchen nachlaufen und alles tun würden, um mit mir zusammenzusein. Nicht vor dem Tod. Das will ich nicht sagen. Den stelle ich mir nämlich ganz schön geil vor, als so eine Art Ãbergang in ein anderes Bewusstsein. Aber vielleicht gibt es auch nichts danach. Ein groÃes, schwarzes Loch. Big Bang. Das warâs dann! Einfach nichts. Gar
Weitere Kostenlose Bücher