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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zog, küsste Sofie immer gleich wieder weg.
    Oder seinen Hals. Schlank, gebräunt, fest und dabei gleichzeitig so verletzlich.
    Seine Ohren, die sie anmutiger fand als alle, die sie jemals gesehen hatte.
    Seine Stimme.
    Sein Lächeln.
    Seinen Gang.
    Die behutsame, fast schon schüchterne Art, wie er sie manchmal berührte, als sei sie kostbares, altes Glas.
    Die Leidenschaft, mit der er sie ein anderes Mal in einer frisch renovierten Jugendstilvilla aufs Bett zog und ohne langes Vorspiel in sie drang, als sei sie knochenlos, ganz biegsame, geschmeidige Substanz.
    Â»Wer bist du nur?«, flüsterte sie, wenn ihr Atem wieder ruhiger geworden war und er erhitzt und erschöpft neben ihr lag. »Sag es mir, Fabian Wunder, wer bist du wirklich?«
    Die Vorsicht, zu der sie sich nach seiner Absage von neulich gezwungen hatte, war inzwischen längst wieder verflogen. Sie schaffte es einfach nicht, etwas zwischen sich und ihn kommen zu lassen. So sehr spürte sie ihn mit jeder Pore. So tief hatte er sich in ihrem Herzen eingenistet.
    Â»Das willst du wissen?« Er lachte heiser. »Stell dir vor, das weiß ich manchmal selber nicht ganz genau. Ein Wanderer? Oder ein Pilot? Am ehesten wohl eine Art Kapitän Nemo, Tausende von Meilen unter Wasser. Jedenfalls jemand, der noch nicht rausgefunden hat, wo er wirklich hingehört. Das scheint festzustehen.«
    Â»Auch jetzt? Hier bei mir?« Sofies Herz hatte zu klopfen begonnen, beängstigend laut, wie sie fand, auf eine wilde, heftige Art, beinahe schmerzvoll. »Wenn wir zusammen sind? Aber wo willst du denn hin, ich meine, wofür würdest du …«
    Â»Scht, reg dich doch nicht gleich so auf, Sofie!« Er küsste zärtlich ihre Lider, den Mund, die seidigen roten Haare. »Meine schöne, hitzige Feuerhexe! Hier!« Er legte ihre heiße Hand auf seine kaum weniger heiße Brust. »Spürst du mich?«
    Sie nickte.
    Â»Gut, sehr gut, also doch aus Fleisch und Blut und kein Phantom, siehst du! Ich bin gern mit dir zusammen.« Er legte den Kopf ein wenig schief. »Ist das nicht genug?«
    Es war nicht genug.
    Sie merkte es daran, dass ihr die Abschiede immer schwerer fielen. Dass sie sich alles mögliche einfallen ließ, um ihr Zusammensein in die Länge zu ziehen. Dass sie am liebsten stundenlang mit dem Auto vor seiner Wohnung gewartet hätte, nur, um zu sehen, ob die Vorhänge zugezogen waren und drinnen irgendwo Licht brannte.
    Wenn sie überhaupt genau gewusst hätte, wo er wohnte. Nächtelang hatte sie schon vergeblich darüber nachgegrübelt.
    Dass sie inzwischen nur noch eines denken konnte:
    Fabian.
    Fa-bi-an!
    Sofie wusste nicht, wohin diese Sehnsucht sie führen würde, die immer stärker von ihr Besitz ergriff und in eine Art Besessenheit zu münden schien. Aber sie hatte Angst davor.
    Was machte er mit ihr? Was tat er ihr an?
    Ahnte er überhaupt, was in ihr vorging? Womit sie sich seinetwegen herumquälte?
    Manchmal wünschte sie sich sogar, ihn niemals wiederzusehen, und ließ erfundene, unfreundliche Dialoge in ihrem Kopf ablaufen, um sich gegen diese unwiderstehliche Anziehung zu wappnen.
    Â»Ruf nicht mehr an!«, zum Beispiel. »Nie mehr, hast du verstanden? Das macht mich fix und alle und rührt alles nur wieder auf. Wer glaubst du eigentlich, wer du bist? Ein Filou? Casanova höchstpersönlich? Du pfeifst, und ich komme prompt wie ein braves Hündchen angerannt. Damit ist jetzt Schluss. Nicht mit mir – das kann ich dir sagen! Mit einem wie dir will ich nichts mehr zu tun haben!«
    Aber seltsamerweise vergaß sie in seiner Gegenwart augenblicklich, an solche oder ähnliche Worte zu denken. Geschweige denn, sie laut auszusprechen. Er streckte die Hand aus, wenn sie sich wiedersahen, streichelte ihren Arm, küsste ihre Lippen, und es war, als sei seit dem letzten Treffen überhaupt keine Zeit verstrichen.
    Nicht einmal eine einzige lausige Sekunde.

9
    Lindas Mutter hieß Babette Winterstein und konnte eine rechte Nervensäge sein. Glücklicherweise lebte sie seit einigen Jahren vorwiegend in Südfrankreich, zusammen mit ihrem schrulligen Lebensgefährten Leo, einem pensionierten Studiendirektor für Deutsch und Geschichte. Dort, in einem umgebauten Bauernhaus mit herrlichem Garten unweit des Touristenorts Gordes, gab sie sich hemmungslos der spät entdeckten, dafür aber um so intensiveren Pflege ihrer

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