Das Prachtstück
bemerkt.«
»Weià ich doch. Und deshalb möchte ich die Kleine ja auch unbedingt sehen.« Sie bemerkte den Fauxpas augenblicklich. »Euch beide, meine ich natürlich«, korrigierte sie sich rasch. »Geht es heute? Sagen wir in einer halben Stunde?«
»Jetzt gleich?« In Lindas Kopf begann es bereits zu hämmern. Marga und Hugo im Rücken zu wissen, war bereits mehr als genug. Aber wenn Babette es auch nur halbwegs darauf anlegte, schaffte sie es binnen weniger Minuten spielend bis zur echten Landplage. »Soll das etwa heiÃen, du bist hier? In München?« Ihre Stimme überschlug sich beinahe.
»Klug kombiniert, Lindakind!« Manchmal redete ihre Mutter mit ihr, als sei sie nicht dreiÃig, sondern noch immer keinen Tag älter als sieben. »Und nicht nur das. Sozusagen auch noch direkt um die Ecke. Leo muss dringend ein paar geschäftliche Dinge in Salzburg erledigen, und da hat sich dieser kleine Umweg ja geradezu aufgedrängt. Sagen wir in einer Stunde, ja? Bitte! Ich freue mich ja schon sooo!«
Resigniert hängte Linda ein. Eigentlich hatte sie vorgehabt, den Nachmittag mit Sofie und Feli im Schwimmbad zu verbringen, um der Hitze zu entfliehen, die drauÃen die Blätter an den Bäumen schon jetzt ganz schrumpelig aussehen lieÃ. Die beste Gelegenheit, um gemeinschaftlich in aller Ruhe die neuesten Entwicklungen im Fall Fabian durchzuhecheln.
Und natürlich auch mit Nudel.
Lautes Knurren schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Der kleine schwarze Teufel war gerade voller Eifer dabei, ihrem roten Stoffschuh den endgültigen Garaus zu machen. Sie zerrte ihn mit einiger Mühe aus seiner Schnauze und begutachtete ihn mürrisch. Keine Frage, dieses wüst zerfetzte Ding konnte sie auf der Stelle in den Abfall werfen. Beileibe nicht der einzige Gegenstand, der nach Nudels Bearbeitung diesen Weg des endgültigen Verfalls gehen musste! Seit der Welpe Mitglied ihres Haushalts war, schien nichts vor ihm sicher. Gummibällchen, Topfpflanzen, Papier jeder Art, vor allem jedoch Schuhe standen ganz oben auf seiner höchstpersönlichen Hitliste.
Das Problem dabei war, dass Linda ihm niemals richtig böse sein konnte, egal, wie groà der Schaden auch sein mochte, den er gerade angerichtet hatte. Das Köpfchen leicht schief gelegt, die Augen gerollt, ein kurzes, grundfreundliches Bellen â und sie schmolz unweigerlich dahin. Was sie jedoch am meisten für ihn einnahm, war die abgöttische Liebe, mit der Feli an dem Hund hing. Die Kleine war wie ausgewechselt. Kein tränenreiches Aufwachen mehr mitten in der Nacht, keine Verzweiflungsanfälle, wenn Linda zur Arbeit gehen wollte. Jetzt trällerte, sang und hüpfte Feli den ganzen Tag, und wenn Linda ihr Feuerköpfchen und das rabenschwarze Seidentier aneinandergeschmiegt im Bett liegen sah, selig schlafend und trotz aller Verbote unübersehbar glücklich, wurde ihr Herz weit und froh.
Dieser verdammte Robbie! Robert Häusler wusste wirklich ganz genau, wie man es anstellte, um sich ein für allemal in Kinderseelen zu schleichen! Linda war überzeugt, dass Feli ihn kaum weniger liebte als Nudel. Inzwischen hatten die beiden sogar angefangen, miteinander zu telefonieren. Manchmal fast täglich. Was man von ihr und Häusler nicht behaupten konnte. Seit jenem denkwürdigen Abendessen war er wie in der Versenkung verschwunden.
Wahrscheinlich, dachte Linda mit leisem Bedauern, weil eine wie ich einen Mann wie ihn mit Sicherheit bis an die Schmerzgrenze langweilen muss. Was habe ich schon zu bieten? Eine Seele mit Narben, eine angefressene Biografie ohne Richtung und Kontur und die hingebungsvolle Liebe zu meinem Kind, die mich davon abhält, frei und unabhängig zu sein.
Dabei war die Unterhaltung anfangs durchaus vielversprechend gewesen, intelligent, anregend, überraschend tiefgründig, allerdings bald schon unterbrochen von einigen Nudel-Einlagen sehr spezieller Art. Sie hatten sich redlich bemüht, anschlieÃend damit fortzufahren. Aber zu welchen seelischen Tiefen sollte man noch vordringen, nachdem ein quirliger kleiner Hund erst einen Riesenfleck auf dem Teppich hinterlassen und anschlieÃend seine Würstchen geschickt zwischen Garderobe und Schirmständer platziert hatte?
Mechanisch klaubte Linda zahlreiche Kleidungsstücke von Couch und Sesseln und warf kurz entschlossen den Staubsauger für eine Blitzreinigung an. Gerade weil
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