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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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eigentlich noch?«
    Das hatte sie seit Jahren nicht mehr getan, wenn man von den Arien mal absah, die sie vor sich hin schmetterte, wenn sie mit Feli in der Badewanne saß.
    Â»Ab und zu«, sagte Linda nicht ganz wahrheitsgemäß.
    Â»Gut. Wenigstens etwas. Du hast eine so hübsche Stimme. Und gehst du mit jemandem aus?«
    Â»Ach, jetzt auch das noch, ja? Ich habe schon darauf gewartet. Findest du nicht, dass das ganz und gar meine Angelegenheit ist?« Linda spürte, wie sie immer ärgerlicher wurde. Aber das war es nicht allein. Ganz drinnen tat etwas fürchterlich weh. »Oder bin ich dir vielleicht Rechenschaft darüber schuldig?«
    Wieso nur hatte sie auf einmal diese blöden Tränen in den Augen? In ihrer Brust wurde es ganz eng. Spitzig und rau. Sie wandte sich ab, verstummte. Aber es war schon zu spät.
    Â»Du gehst also mit niemandem aus? Noch immer nicht?« Babette ließ nicht locker. »Magst du mir mal verraten, weshalb? Micha kann doch nicht noch länger als Ausrede dienen. Nicht, wenn du auch nur halbwegs ehrlich zu dir selbst bist.«
    Da hatte Linda sich längst umgedreht. Sie weinte. Aber auf einmal war es ihr ziemlich egal.
    Â»Komm«, sagte Babette ganz weich. »Komm zu mir, mein Lindakind, und erzähl mir alles! Was ist passiert? Warum klappt es nicht? Und vor allem: Wie heißt er?«
    Es war fast Mitternacht, als Babette sie verließ – mit leichter Schlagseite, wie Linda bemerkte, die ihr vom Küchenfenster aus nachsah – und vor dem Haus in ein wartendes Taxi stieg. Sie selber war auch nicht mehr sicher auf den Beinen. Der Kopf brummte ihr, weniger von dem Sauvignon, dem Mutter wie Tochter beherzt zugesprochen hatten, als vielmehr von den merkwürdigen Thesen und Vorschlägen, die ihr Babette hinterlassen hatte.
    Im Flur wäre sie beinahe über das fest verschnürte Paket gestolpert, das Leo zwischendrin hochgeschleppt hatte, bevor Babette ihn sofort wieder zum Gehen verurteilte: »Frauenabend, mein Lieber! Da haben Männer nun mal nichts verloren.«
    Sie holte ein Messer aus der Küche und schnitt die Kordel auf. Drei »original Wintersteins« – aber was für welche! Blau dominierte, ein aufregendes, lautes, gefährliches Blau, in dem die gewagten Liebesszenen gehalten waren. Alles mit wenigen kühnen Strichen hingeworfen und daher umso fesselnder.
    Â»Eine Art Vermächtnis«, so hatte Babette sich ausgedrückt. »Falls ich einmal ganz berühmt werde, vermutlich ein kleines Vermögen wert. Mach damit, was du willst, aber bitte keinen Unsinn! Zum Verhökern auf irgendeinem Trödel jedenfalls sind sie nicht bestimmt. Versprochen?«
    Â»Versprochen!«
    Ihre Mutter verblüffte sie. Und sie war tief von deren neuer Seite beeindruckt.
    Linda überzeugte sich, dass Feli auch wirklich schlief, und ging dann noch einmal für eine kurze Runde mit Nudel um die Häuser. Es war Neumond und wolkig, aber sie glaubte trotzdem, am Nachthimmel ein paar Sterne zu erkennen.
    Konnte man sich in einem Menschen, den man sein ganzes Leben lang gekannt hat, wirklich dermaßen täuschen?
    Beim Raufgehen memorierte Linda ein weiteres Mal die Tipps, die Babette ihr zum Fall Häusler hinterlassen hatte. Erstaunlich, wie genau sie sich in diesen Herzensangelegenheiten auszukennen schien! Und in den geeigneten Methoden, um endlich das zu bekommen, was man sich seit langem schon insgeheim gewünscht hatte. Sie lächelte beim Aufsperren. Vielleicht gar keine so schlechte Idee.
    Auf alle Fälle wert, ausprobiert zu werden.

10
    Heute war eindeutig nicht Fabians Tag. Das dunkle Haar zerzaust, als sei er direkt dem Bett entstiegen, die Augen müde und glanzlos. Sogar die helle Leinenhose sowie das passende Sakko ließen die gewohnte elegante Lässigkeit vermissen und hingen schlabberig und zerknittert an seinen langen, mageren Gliedmaßen. Sofie sandte ihm einen misstrauischen Blick.
    Schlief er etwa gar nicht mehr? Vergaß er, regelmäßig zu essen? Und sich zu kämmen? Was zum Teufel tat er nur, wenn er nicht mit ihr zusammen war?
    Er schien ihre wachsende Unzufriedenheit nicht einmal zu bemerken, und falls doch, so tat er zumindest, als sei alles in bester Ordnung. Mit gesenktem Kopf löffelte er einsilbig schon die zweite Portion Tortellini in Sahnesauce in sich hinein, so konzentriert und gierig wie jemand, der halb am Verhungern war. Ein richtiges

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