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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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will ich nicht noch einmal hören, ja? Nie wieder! Hast du mich verstanden?«
    Sie schüttelte Feli kräftig durch. Natürlich flossen sofort die ersten Tränen, hell und klar, echte Wuttränen. Von wem sie diesen Dickkopf wohl geerbt hatte?
    Â»Und jetzt rauf und dann ab mit dir in dein Zimmer! Ohne Widerrede! Sonst setzt es was!«
    Nudel ließ die Schlappohren hängen und zog den Schwanz ein. Wenn er eines hasste, dann brüllende Menschen.
    Wortlos, aber hysterisch schluchzend erklomm Feli die vielen Treppen nach oben. Zum Glück waren Bruno und Aki nicht zu Hause. Sonst hätten sie auf die Idee verfallen können, sie versuche, ihr Kind zu schlachten. Linda hörte, wie die Tür zum Kinderzimmer krachend zufiel. Keine Minute später klingelte es munter.
    Â»Na prima«, sagte sie zu Nudel, der sich vorsichtshalber unter den Tisch verkrochen hatte, »der denkbar günstigste Moment für Babettes Auftritt!«
    Niemand brachte sie schneller dazu, sich klein und nutzlos zu fühlen, als ihre Mutter. Dabei war Babette ungewohnt gut gelaunt, fast schon leutselig. Fand ein paar nette Worte für die Wohnung, die sie als »Adlerhorst« bezeichnete, lobte das blühende Aussehen von Feli, die sich wieder aus ihrem Zimmer hervorgewagt hatte, und störte sich weder an den schmutzigen Fingern des Enkelkindes noch an den schwarzen Tränenspuren auf Hals und Gesicht.
    Â»Ach was, Kinder sind doch keine Schaufensterpuppen!«, sagte sie wegwerfend. »Habt ihr beiden oft Streit?«
    Â»Nur wenn Besuch kommt«, schnappte Linda zurück.
    Â»Und zwar unangemeldeter. Dann eigentlich immer.«
    Babette wandte sich wieder Feli zu. »Ich hab’ dir was zum Malen mitgebracht. Ganz tolle Fingerfarben! Machst du das noch immer so gern?« Eifriges Nicken. Jede Art von Geschenk kam extrem gut bei ihr an. »Dann setz dich doch mit dem Block und den Farben in die Ecke, und Linda und ich reden ein bisschen zusammen, ja?«
    Kein Widerspruch. Zumindest nicht sofort.
    Als Linda in die blitzenden Augen ihrer Mutter sah, wusste sie, dass die Schonfrist vorbei war.
    Â»Ich mache mir Sorgen um dich, Her … – Linda«, begann sie. »Große! Und das nicht nur, weil Marga und Hugo angerufen haben. Du weißt, was ich von diesen Beckers halte – immer schon gehalten habe. Reiche Spießer und nicht viel dahinter.« Sie wurde schneller, als Linda einen Einwand versuchte. »Nein, lass mich ausreden! Habe ich dich vielleicht daran gehindert, bei ihnen einzuheiraten? Na, also! Jeder ist für sein Leben verantwortlich. Aber das heißt nicht, dass ich mir als deine Mutter nicht so meine Gedanken mache.«
    Sie trank einen Schluck Tee.
    Â»Immerhin lebst du nun hier. Außerhalb ihres Dunstkreises. Das ist schon mal der erste Schritt. Aber was wird weiter, Kind? Mit deinem Beruf? Deinem Leben?«
    Â»Ich komm’ schon klar«, sagte Linda trotzig und musste an die rauchige, kleine Kneipe denken, in der sie jobbte. An die Geldsorgen, die schon wieder begannen. Und was um Himmels willen sie anstellen sollte, wenn Feli einmal länger krank wurde und sie sich nicht an Bruno und Aki wenden konnte. Außerdem gab es ja zudem ein rabenschwarzes Problem auf vier Beinen, das während Lindas Dienstzeiten im Calda ebenfalls untergebracht werden musste. Bis jetzt strafte Twister den Welpen mit überlegenem Desinteresse und schien nichts dagegen zu haben, dass er in seinem Revier herumschnüffelte. Aber Nudel fraß ordentlich und wuchs dementsprechend schnell. Dieser instabile Zustand konnte sich folglich jeden Tag ändern. »Allerdings auf meine Weise. Was ist denn auf einmal in dich gefahren? Bisher hast du dich ja auch nicht gerade rührend um mich gekümmert. Woher also dieses schlagartige Interesse?«
    Â»Wir werden älter«, erwiderte Babette ruhig, »alle beide. Du bist kein Teenager mehr, Linda, dem alles offensteht. Und ich …« sie hielt inne. »Ich bin bald eine alte Frau. Da beginnt man nachzudenken. Unweigerlich. Und das ist gut so.«
    Â»Willst du noch Tee?«
    Babette packte sie am Arm, ganz ähnlich, wie sie vorhin Feli gepackt hatte. »Ich will, dass du wieder zu leben beginnst, Linda. Dass du dein Schicksal nicht mehr anderen überlässt, sondern es fest in deine Hände nimmst und etwas daraus machst. Dass du glücklich wirst.« Sie ließ sie plötzlich los. »Singst du

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