Das Prachtstück
Sofie«, sagte er weich. »Willst du eigentlich gar nicht wissen, was der Anlass zu all diesem hier ist?«
»Natürlich will ich das.« Von Minute zu Minute fühlte sie sich unbehaglicher.
»Meine Doktorarbeit ist angenommen.« Seine Stimme war ruhig, am nervösen Spiel seiner Hände jedoch erkannte sie seine innere Bewegung. »Die dritte Version, und Ãnderungen muss ich noch reichlich anbringen, aber immerhin. Kaum zu fassen, was?«
»Und das heiÃt?« Seine Anspannung hatte sich auch auf sie übertragen.
»Nun, in Zukunft werden sich eine ganze Menge Dinge ändern. Nicht sofort, aber sehr bald. Freie Abende, Wochenenden, an denen man etwas zusammen unternehmen kann, Einladungen für Freunde und vieles, vieles andere. Ich glaube, das wird auch höchste Zeit. Meinst du nicht, Sofie? So jedenfalls können wir nicht länger weitermachen.«
Sie konnte kaum noch atmen.
»Nein«, sagte sie leise. »Wohl kaum.«
»Ich bin froh, dass du das auch so siehst.« Sein Gesicht wirkte auf einmal ganz gelöst, beinahe wie das eines kleinen Jungen. Die Kerzen waren im Wind schnell hinuntergebrannt; es war zu dunkel, um seine Augen zu sehen. »Wir sind uns ziemlich abhanden gekommen, du und ich, und ich gebe vor allem mir die Schuld daran. Meinen Macken und der Art, wie ich im letzten Jahr immer tiefer in die Arbeit versunken bin. Aber ich hatte solche Angst, mein Ziel nicht zu erreichen, dass ich nah daran war durchzudrehen. Ich habe dich vernachlässigt. Gekränkt. War rücksichtslos. Und habâ mich zum Teil sicher unmöglich aufgeführt. Danke, dass du mich ertragen hast. Dass du heute Abend noch mit mir am Tisch sitzt.«
Sie wollte, musste auf der Stelle etwas einwenden und endlich loswerden, was ihr auf der Seele brannte, aber er gab ihr keine Gelegenheit dazu.
»Für all das wollte ich mich bei dir entschuldigen, Sofie. Ich liebe dich. Ich möchte, dass du das niemals vergisst!«
»Ich weië, murmelte sie. Das »Ich dich auch«, auf das er vermutlich schon sehnlich gewartet hatte, brachte sie nicht über die Lippen.
»Und ich lebe gern mit dir. Verzeihst du mir, dass ich ein solcher Idiot war?«
»Da gibt es nichts zu verzeihen«, flüsterte sie.
»Und wenn ich dich ganz herzlich darum bitte?«
Sie wusste genau, wie er sie jetzt ansah, auch wenn die Kerzen erloschen waren. Dieser tiefe, eindeutige Blick, bei dem sie früher rettungslos dahingeschmolzen war. Heute aber zog sich ihr Herz schmerzlich zusammen.
Sie musste es ihm sagen. Unbedingt! Aber sie konnte es nicht.
»Natürlich tue ich das«, sagte sie und schämte sich. Wie feige sie war, wie durch und durch verlogen! Nicht ein einziges Wort über Fabian hatte sie verloren. Sie hasste sich. Am liebsten hätte sie sich so schnell wie möglich in Luft aufgelöst.
Er erhob sich und streckte die Hand nach ihr aus.
»Kommst du? Oder ist es schon zu spät für dich?«
Sie folgte ihm. Mit wackligen Knien, als wäre es das allererste Mal.
Als sie am Morgen neben Hannes erwachte, war der gestrige Katzenjammer noch immer nicht ganz verschwunden, aber sie fühlte sich um einiges besser. Es war schön gewesen, nach langer Zeit wieder mit ihm zu schlafen, vertraut, zärtlich und überraschend aufregend zugleich, beinahe wie mit einem fremden Mann, dessen Körper und dessen Reaktionen sie erst langsam kennenlernen musste. Ihre anfängliche Zurückhaltung war ihm nicht verborgen geblieben. Plötzlich war es ihr vorgekommen, als betrüge sie jetzt Fabian. Es hatte sie einige Anstrengung gekostet, sein Bild von ihrer inneren Netzhaut zu verbannen. Aber schlieÃlich war es doch gelungen.
»Spürst du mich, Sofie?«, fragte er sie mittendrin, so eindringlich, dass sie sofort ganz starr wurde.
»Ja«, murmelte sie und fand nur langsam wieder in ihren Rhythmus zurück, »ja, ich spüre dich. Und wie!«
Später allerdings kam zu ihrer Bestürzung alles wieder zurück, die Nächte mit Fabian, sein Duft, die Glätte seiner Haut, das Spiel der Muskeln. Hellwach und empört über sich selber lag sie neben dem schlafenden Hannes und lauschte auf seinen gleichmäÃigen Atem. Sie war verwirrt. Nein, sie war vollkommen durcheinander. Und ziemlich trotzig dazu.
Wieso eigentlich konnte sie nicht beide Männer lieben? Wer zum Teufel wollte sie daran hindern?
Als Hannes die Augen
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