Das Prinzip Selbstverantwortung
Verantwortung im Innenverhältnis … Selbstverantwortung ist dies alles nicht.
Selbstverantwortung
Nicht erst seit dem Lean-Management-Konzept, das die Hierarchie-Pyramide in nahezu allen Unternehmen spürbar zur Zwiebel gestaucht hat, steht das Thema »Selbstverantwortung« auf der Tagesordnung. Unscharf, wie der Begriff ist, eignet er sich für alles und jedes und trägt eine Vorentscheidung für etwas moralisch Hochstehendes in sich. Von Selbstverantwortung wird vor allem dann gesprochen, wenn sie nicht vorhanden ist. Das wiederum verdankt sie dem beschriebenen Janusgesicht der zweiten Worthälfte.
Unterlegt man Höffes Definition, dann greift hier Kriterium (3): Ein Selbstverantwortlicher ist zunächst und vor allem gegenüber seinem »Selbst« verantwortlich.
Das meint: Gegenüber dem Unternehmen stehen Sie vor einer Wahl. Sie können eine Beobachterrolle einnehmen; das Unternehmen ist für Sie dann »Umwelt«. Sie können aber auch eine Teilnehmerrolle einnehmen und das Unternehmen als »Mitwelt« betrachten. Als Teilnehmer »nehmen Sie einen Teil« der Verantwortung. Diese Entscheidung – und nur diese – ist die Situation der Selbstverantwortung. Es ist die Situation des unvermeidlichen |37| Antwort-geben-Müssens. Wollen Sie Beobachter bleiben und das Unternehmen als Umwelt betrachten? Dann bleibt das Verhältnis eine ICH-DIE-Opposition. Oder wollen Sie in eine Beziehung zu Ihrem Unternehmen als Mitwelt eintreten? Wollen Sie Teil-Nehmer sein? Wählen Sie die Teilnehmerrolle, dann entsteht eine partnerschaftliche ICH-und-DU-Beziehung, die sich durch Gleichordnung, Partizipation und Verantwortung auszeichnet.
Die alltagspraktische Bedeutung von Selbstverantwortung bezeichnet damit schlicht die Bereitschaft, auch dort Zuständigkeit wahrzunehmen, wo sie nicht vorher in einer klar abgegrenzten Aufgabenverantwortung normiert ist. Natürlich können Sie einen Mitarbeiter so reglementieren, dass er fünf Wochentage lang acht Stunden an seinem Arbeitsplatz sitzt. Was Sie auf keinen Fall reglementieren können, ist, dass er selbstverantwortlich arbeitet. Das muss er wählen und wollen. Je weniger Führungskräfte es gibt und je größer die Führungsspanne ist, desto notwendiger wird das selbstverantwortliche Handeln des Mitarbeiters.
Der Wunsch, sich einzubringen. Die Freiheit der Wahl und das Selbstbewusstsein, Inhalte des Engagements immer neu auszuhandeln. Das motivierte Engagement in der Arbeit, erlebt als Freude und Entfaltung, nicht als »Opfer« oder »Dienst«. Die Lust an der individuellen Gestaltung der Wirklichkeit, die dem Dialog neue Räume öffnet und freihält: Selbstverantwortung meint die Bereitschaft, Handlungsspielräume im Licht von Gefahren und Chancen eigenaktiv auszufüllen. Bin ich bereit, u. U. erhebliche Opfer auf mich zu nehmen? Lebe ich Mut und Zivilcourage? Verzichte ich darauf, ständig von anderen angeschoben zu werden?
Was soll denn Selbstverantwortung im Unternehmen anderes
heißen, wenn nicht Verantwortung für die eigene Motivation?
Selbstverantwortung meint daher im Kern
ein autonomes und freiwilliges Handeln;
ein
Wählen
,
ein initiatives und engagiertes Handeln;
ein
Wollen
,
ein kreatives und schöpferisches Handeln;
ein
Antworten
.
|38| Commitment
Es gibt Begriffe, die zum Leergut verkommen, je mehr sie zum Allgemeingut werden. Unter dem Begriff Commitment segelt daher in den Unternehmen viel Unbegriffenes. Die deutsche Übersetzung »Selbstverpflichtung« kommt im groben Leinensack von Askese, Opfer und Entbehrung daher (das Jammertal-Wort »Pflicht« in der Mitte macht’s wohl). Mit dem Begriff Selbstverantwortung ist Commitment inhaltlich weitgehend dekkungsgleich. Allerdings kommt auf der Bewusstseinsebene das Versprechen, die Verpflichtung hinzu, wie sie in der deutschen Kulturtradition vielleicht am besten von Friedrich Schillers Gedicht »Die Bürgschaft« illustriert wird.
Dieses Verständnis von Commitment umfasst die Begriffe Autonomie, Engagement, Kreativität sowie das Versprechen des »Ich tue es!«. Commitment umschließt mithin die Selbst-Verantwortung auf der Handlungsebene und die Selbst-Verpflichtung auf der Bewusstseinsebene.
Ein Spektrum von A(ntwort) bis Z(ivilcourage): Die Einstellung des Selbst, die Verantwortung nicht als Last, sondern als Lust erlebt – das ist Commitment. Martin Heidegger rief Ende der 1920er Jahre seinen Studenten zu: »Wir müssen klar sehen: in heutiger Zeit fehlt uns jeder Halt an einer objektiven, allgemein
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