Das Prinzip Selbstverantwortung
Ihr ewig unzufriedener Chef Sie mal wieder ungerecht behandelt hat. Aber bei Licht besehen lassen Sie dann zu, dass Aktuelles das Grundsätzliche verdeckt.
Das Grundsätzliche ist: Mit dem Anerkennen dieses Gedankens entscheiden Sie über die Freiheit – oder Unfreiheit – Ihres Lebens. Vielleicht fragen Sie sich, was gerade der obige Gedanke mit der Freiheit Ihres Lebens zu tun hat. Nun, wenn Sie anerkennen, dass Sie Ihre berufliche (und natürlich auch Ihre private) Situation frei gewählt haben, können Sie diese Situation auch wieder abwählen – jederzeit! Allein die reine Vorstellung wirkt manchmal befreiend. Sie übernehmen damit selbst und bewusst die Verantwortung für Ihr Leben. Mit allen Konsequenzen.
Wem jetzt das »Ja, aber …« auf den Lippen liegt, den bitte ich an dieser Stelle um etwas Geduld. Ich möchte nicht mit präsidialer Gleichgültigkeit alles Elend dieser Welt mit einem vorgeworfenen »selbstgewählt!« individualisieren und die Rahmenbedingungen für nebensächlich erklären. Natürlich ließe sich diese grobe allgemeine Aussage verkomplizieren, indem ich verständnisvolle Relativierungen einführe: Die Dinge liegen oft nicht so glatt, wie hier scheinbar vorausgesetzt. Manche Entscheidungen sind komplex, die Konsequenzen nicht absehbar, es existieren die so genannten Sachzwänge, und es gibt viele gültige Einwände mehr. Francisco Varela spricht davon, dass unsere Handlungen häufig lediglich |43| »unmittelbares Bewältigungsverhalten« sind. Da gibt es Paradoxien: Ortega y Gassets »Freiheit ist der Zwang, sich zu entscheiden«, Brüche, Ironien: »Entschuldigen Sie, dass ich so dicht vor Ihnen herfahre.« Auf alle diese »Ja, abers« will ich eingehen. Mir geht es zunächst eher bescheiden darum, dass eine so beschriebene Einstellung ganz einfach
praktisch
für Ihr Commitment im Arbeitsleben ist.
Abermals: Dieses Unternehmen, diesen Chef, diesen Kollegen, diesen Mitarbeiter – all das und alle anderen Umstände und Begleitumstände im Unternehmen: Sie haben sie gewählt. Egal, welche Motive Sie hatten, einerlei, was Sie bewog: Sie haben es sich ausgesucht. Sie haben
alles
, was jetzt ist, durch Ihre Entscheidung, dort zu arbeiten, mitgewählt.
Wie Sie es auch drehen und wenden: Sie wählen immer, wo Sie leben, was Sie arbeiten, welche Bedeutung Sie Ihrer Karriere geben. Und: Sie haben die Freiheit, es abzuwählen. Wenn Sie wollen. Vielleicht wollen Sie das aus guten Gründen nicht. Und diese Gründe sind so gewichtig, dass Sie bereit sind, eine Menge Widrigkeiten dafür in Kauf zu nehmen. Entscheidend ist: Sie können sich immer wieder neu entscheiden. Wenn Sie also beispielsweise das |44| Unternehmen, für das Sie jetzt arbeiten, nicht abwählen, dann
wollen
Sie es nicht abwählen. Es ist allein Ihre Entscheidung und Verantwortung.
Ich schrecke auch heute noch vor der scheinbaren Banalität dieser Sätze zurück. Betrachten wir aber das konkrete Verhalten der Menschen in den Unternehmen, so scheinen diese Überlegungen nur schwer verdaulich zu sein. Und so habe ich wohl einen Großteil meiner Arbeitszeit mit Menschen in Unternehmen zugebracht, die zwar – erstens –
alles tun wollen
, aber – zweitens –
den
Preis dafür nicht zahlen wollen
. Mit jeder Wahl sind zwangsläufig bestimmte Auswirkungen verbunden, die wir gleichzeitig mitwählen. Es gibt keinen Trick in der Welt, der es uns erlaubt, diesen Konsequenzen auszuweichen. Aber genau das scheinen alle zu erwarten. Und wenn das nicht gelingt, nicht gelingen
kann
, fangen sie an zu jammern. Wer aber jammert, will nicht verantwortlich sein.
Dabei liegt gerade hier die größte Chance: Wer aufhört zu jammern, handelt. Wer handelt, wählt bewusst. Wer bewusst wählt, übernimmt Verantwortung für alle Konsequenzen. Wer Verantwortung übernimmt, übernimmt die Regie für sein Leben – das ist nichts anderes als Freiheit. Und die geben Sie sich selbst.
Jeden Morgen neu
Allen Wheelis, dessen Essay »How People Change« mir zu diesem Gedanken sehr geholfen hat, schreibt: »Nichts garantiert unsere Freiheit. Verneine sie oft genug, und eines Tages gibt es sie nicht mehr. Zu guter Letzt haben wir unsere Füße und Hände gefesselt und rufen triumphierend aus, wie recht wir hatten.« Das Problem ist in der Tat, dass die meisten Menschen im Unternehmen vergessen haben, dass sie wählen. Sogar täglich wählen. Sie vergessen einfach, dass sie sich für dieses Unternehmen täglich neu entscheiden. Dass sie es auch abwählen
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