Das Prinzip Selbstverantwortung
Entscheidungen werden verschleppt. Aber Aufschub ist immer lächerlich. Der Versuch, alles auf einmal haben, nicht auf eine Alternative verzichten zu wollen, kostet: Aufschub ist der Dieb der Zeit. Das Verschlafen günstiger Gelegenheiten. Frustration. Inneres Hinundhergerissensein. Dabei wurde ja gewählt: die Unentschiedenheit. »Auch zum Zögern muss man sich entschließen«, sagt Stanislaw Jerzy Lec. Das eigentliche Problem ist wiederum die Weigerung, Verantwortung für die Konsequenzen der Unentschiedenheit zu übernehmen. Typisch für die Sprachmuster solcher Mitarbeiter sind Ausdrücke wie »Ich müsste …«, »Ich sollte …«, »Ich dürfte eigentlich nicht …«.
Wer aber sagt »Ich sollte«, der hat noch nie getan. Er ersetzt das Handeln durch ein geschärftes Problembewusstsein, durch eine »klare Sicht« der Dinge. Sehr verbreitet bei Marktforschungs- und Marketing-Moderationen:
Mehr-wissen-wollen-als-zum-Handelnnötig-ist
. Ein billiger Schlupfwinkel, um Verantwortung zu vermeiden. Die Energie fließt ins Erklären, ins interessante Wissen. Das Räsonieren gaukelt Handeln vor. Dadurch glaubt man, passiv bleiben zu können: Verstehen statt Bewegen. Die Folge: ein entschiedenes »Vielleicht!« Die unausgesprochene Selbstabwertung: |56| »Ich treffe immer die falschen Entscheidungen.« – »Ich werde nie exzellent.« – »Ich kann nicht entscheiden.« Diese Menschen machen sich selbst unglücklich. Denn
eine
Konsequenz hat die Unentschiedenheit immer: den Verlust der Selbstachtung. Keine noch so negative Auswirkung einer »Fehlentscheidung« kann diesen Preis aufwiegen.
Noch schlimmer sind jene im Unternehmen, die sich mit »Ich konnte nicht …«, »Ich musste …« oder »Mir blieb nichts anderes übrig« als Opfer der Umstände zu erkennen geben. »Ich will das ja nicht, mein Chef will es!« Das ist der Jargon des Hineingeratenseins. Diese Menschen machen
alle anderen
unglücklich. Sie haben das Bewusstsein der Wahlfreiheit verloren.
»… sind wir gezwungen«, sagt dann jener, der manipulativ oder bewusstlos seine Verantwortung verschleiern will. Auch das feige »Ich muss Ihnen leider sagen …«: es ist außerordentlich schwierig, mit diesem Typ Mitarbeiter zu arbeiten, weil nach seiner Auffassung immer die Rahmenbedingungen im Unternehmen »schuld« sind und sich ändern müssen. Sie kommen nicht auf die Idee, sich selbst zu prüfen. Sie sehen nicht, dass sie selbst die Quelle ihrer Probleme sind. Sie sind z. T. nicht einmal bereit anzuerkennen, dass sie sich mit einer solchen Einstellung selbst schwer schädigen: auf den Schlachtfeldern des Konjunktivs.
Konzept »Versuchen«
Geradezu entlarvend ist in diesem Zusammenhang das Gerede von »Ich habe versucht …« oder »Ich werde versuchen …«. (Versuchen Sie mal, das Buch, das Sie gerade in der Hand halten, zuzuschlagen! Nein, Sie sollen es nicht zuschlagen; Sie sollen
versuchen
, es zuzuschlagen.)
Versuchen ist eine Einstellung, die Verantwortung vermeiden will. Konsequent gedacht gibt es kein Versuchen. Sie tun etwas, oder Sie lassen es sein. Es geht mir dabei hier nicht um die Sprachkonvention, sondern um die innere Einstellung, die nicht verantwortlich sein will. Es ist wie mit den »guten Vorsätzen«: nichts anderes als ein Selbstbetrug für das klare »Ich will es nicht!«. Ich |57| will eigentlich etwas anderes. Ich habe aber nicht den Mut, es gegenüber mir und anderen zuzugeben. Was ich wirklich will, tue ich. Das brauche ich mir nicht vorzunehmen.
Die Strategie »Versuchen« wird entsprechend häufig benutzt, um Passivität und mangelnde Entschiedenheit zu verschleiern. Meiner Erfahrung nach wird sehr oft dann von »versuchen« geredet, wenn jemand zu einer Forderung eigentlich »Nein« sagen will, aber die Konsequenzen der Klarheit fürchtet. Dann versucht er es halt. Viele sagen z. B. zu irgendeiner Zielvorgabe »Ja«, meinen »Nein« und antizipieren das Scheitern, bauen das Misslingen schon vorher (beim Tun) ein. Sie dürfen sich dann nicht wundern, wenn sie mit dem Konzept »Versuchen« extrem erfolgreich sind. Sie versuchen immer. Aber tun nie.
Als Reinhold Messner nach der gescheiterten Besteigung eines Himalaja-Berges (er entschloss sich wegen Sauerstoffproblemen 100 m unterhalb des Gipfels zur Umkehr) von einem Journalisten zum Versuch gratuliert wurde, antwortete er: »Ich habe es nicht versucht. Ich war nicht oben.« Keine Opfer-Story über widrige Umstände. Keine herzzerreißende Geschichte über die ungeheure,
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