Das Prinzip Terz
natürlich alle nicht mit einem Mord in Verbindung gebracht werden. Und noch weniger, dass ihre Verhältnisse an den Tag kommen.«
»Darauf können wir keine Rücksicht nehmen«, schimpfte Sammi. Er war noch immer stinksauer über Jule Hansens Entlassung.
Brüning und Perrell hatten begonnen, Todesfälle von Homosexuellen zu untersuchen. Bisher waren sie auf nichts gestoßen.
»Jemand sollte Tönnesens Nachbarn noch einmal fragen, ob sie etwas gesehen haben«, regte Terz an. »Maria, Knut, macht ihr das morgen?«
Sammi fuhr hoch. »Aber ich …«
»Irgendwer muss es doch machen«, meinte Terz arglos. »Und es hilft dem Teamgeist, wenn jeder mit jedem arbeitet.«
»Ich hole noch etwas zu trinken«, sagte Lund.
Knut Perrell sprang auf. »Ich helfe dir.«
Sie unterhielten sich noch ein wenig, Perrell und Lund beschlossen zu bleiben. Darauf wollte auch Sammi noch etwas trinken. Terz musste am Abend mit Elena zu Ramscheidt, wollte davor noch nach Hause und verabschiedete sich.
Kurz vor sieben parkte er in seiner Straße. Er sah zur Wohnung hoch, überlegte es sich anders und spazierte um den Block in die Isestraße, bis er vor das Haus kam, in dem Biel wohnte. Er klingelte bei Biel. Eine Stimme meldete sich.
»Paketdienst. Eine Lieferung für Herrn Biel«, sagte Terz in die Gegensprechanlage, und die Tür sprang auf. Er nahm den Lift ins Dachgeschoss.
Oben gab es nur ein Apartment. Terz drückte auf den Klingelknopf mit Biels Namen. Aus der Wohnung hörte er ein leises Summen. Nach ein paar Sekunden dann Schritte. Das kleine Loch in der Tür wurde dunkel.
Die Tür öffnete sich einen Spalt. Terz sah in ein dunkles Auge unter einer schwarzen Braue. Auf Brusthöhe erkannte er die Glieder einer Sicherheitskette. Eine blecherne Stimme fragte:
»Wer sind Sie?«
»Polizei«, erklärte Terz. »Kommissar Terz. Herr Biel?«
Der Mann hatte eine ungesunde Gesichtsfarbe. Immer? Oder nur im Moment?
»Ja.«
Als rechtschaffener Bürger müsste er jetzt eigentlich die Tür aufmachen. Die Tür wurde geschlossen.
Ein paar Sekunden lang geschah nichts, dann klimperte die Sicherheitskette, und die Tür schwang auf. Dahinter wartete ein Mann Mitte vierzig mit unsicherem Lächeln. Seine langen, angegrauten Locken waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, er trug einen grauen Dreitagebart. Das schwarze Sweatshirt über der verknitterten schwarzen Leinenhose und bot eine ideale Unterlage für die Schuppen auf seinen Schultern.
»Polizei? Habe ich etwas angestellt?«
»Aber nein. Ich habe nur ein paar Fragen. Darf ich reinkommen?«
Biel zögerte einen Sekundenbruchteil, bevor er zur Seite trat und den Kommissar hereinbat.
Im Wohnzimmer blieb Terz stehen. Drei offene Türen gewährten Blicke in die anderen Räume. Eine vierte war geschlossen. Hinter der Terrasse und den Baumwipfeln sah er zu seiner eigenen Wohnung.
»Was für Fragen sind das denn nun?«
Terz schaute kurz in jeden Raum.
»Im Rahmen einer Ermittlung sind wir auf Ihren Namen gestoßen.«
»Was für Ermittlungen?«
»Heute wurde bei Wedel ein Mann tot aufgefunden. Ein Schriftsteller«, fügte er bedeutsam hinzu. »Er roch wie ein Weinfass.« Biel musste glauben, dass Terz von der Leiche auf seiner Terrasse sprach. Seine Stimme überschlug sich fast.
» Sie untersuchen diesen Fall?«
Statt einer Antwort öffnete Terz die geschlossene Tür.
Der Raum war schmaler, aber länger als das Wohnzimmer. Auf mehreren aufgebockten Holzplatten unter den schrägen Dachfenstern drängten sich ein bunter Applecomputer und andere technische Geräte, Scanner, Drucker, CD -Brenner, Fax, Hi-Fi-Anlage, verschiedene Camcorder, mehrere Fotoapparate, Teleobjektive, Mikrofone, Kabel. Über die gegenüberliegende Wand zog sich ein Regal, gefüllt mit Video- und Musikkassetten. Am Ende des Zimmers sah Terz in eine Dunkelkammer. Biel war allein in der Wohnung.
»Was machen Sie da? Das geht Sie nichts an.« Biel versuchte ihn hinauszubugsieren.
Ungerührt studierte Terz die Etiketten der Kassetten. Nummern- und Buchstabenkombinationen. Hier konnte er lange suchen, wenn er kein Inhaltsverzeichnis hatte.
»Ich sehe mich um.«
»Ich dachte, Sie wollen Fragen stellen!«
»Dazu komme ich noch.« Er holte Handschuhe aus der Hosentasche, zog sie über und nahm ein Band aus dem Regal.
Biel hatte die Fäuste neben den Schenkeln geballt. Sein ganzer Körper zitterte.
»Verlassen Sie – lassen Sie! Ich rufe –«
»Die Polizei? Die ist doch schon da. Aber bitte, tun Sie sich keinen
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