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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Rafelsberger
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hielt unter den ersten Bäumen. Er verschmierte die Kennzeichen mit feuchter Erde und umspannte die Reifen mit vorbereiteten Lumpen. Dann fuhr er tiefer in den Wald. Bei ein paar Holzstapeln und einer großen Kiste mit Reisig hielt er.
    In diesen Wäldern und den umliegenden Feldern hatte er als Jugendlicher manchen Nachmittag verbracht. Er steuerte den Wagen ins Unterholz, wo er von der Forststraße nicht zu sehen war. Es war kurz nach zwölf Uhr.
    Terz öffnete die Heckklappe, löste den Strick und ließ das Fass auf den Waldboden fallen. Schnell rollte er es zu der Reisigkiste. Jetzt kam der schwierigste Teil. Terz rieb sich Menthol unter die Nase.
    Der Gestank war trotzdem überwältigend. Sandels Leichenstarre hatte sich bereits gelöst. Schlaff steckten die kalten Glieder in der Tonne. Terz zog die Latexhandschuhe an. Er zerrte an den Füßen, dann an der Tüte mit dem Kopf, wieder an den Füßen. Zentimeterweise arbeitete er den Körper heraus.
    Hatte er eben ein Stöhnen gehört? Terz gefror.
    Aus dem Wald kamen Stimmen. Er duckte sich hinter den Holzstapel. Über die Forststraße spazierten zwei alte Leute. Die trockene Stimme des Mannes erzählte.
    Alte Leute können sehr langsam gehen. Dafür sehen und riechen sie schlecht. Terz’ Wadenmuskeln begannen sich in der unbequemen Haltung zu verkrampfen. Die beiden waren fast an seinem Versteck vorbeigegangen, als Terz’ Handy zu flöten begann.
    Die Frau drehte sich irritiert um.
    Mit fliegenden Fingern riss Terz das Gerät aus der Tasche und drückte das Gespräch weg. Er hielt die Luft an.
    »Ein Vogel«, sagte der alte Mann, und sie setzten ihren Weg fort.
    Mit einem kurzen Blick prüfte er die Nummer des Anrufers. Finnen. Der Staatsanwalt erkundigte sich mehrmals täglich nach Fortschritten der Ermittlungen. Als Terz von den Alten nichts mehr hörte und sah, rief er zurück. Da er ihm nichts Neues erzählen konnte, war das Gespräch kurz.
    Und weiter mit der Arbeit. Sandels Schultern sperrten sich. Terz kippte das Fass, schüttelte es, hoffte auf die Schwerkraft. Sandel wollte nicht.
    »Komm schon, Diogenes«, schnaufte er und drückte Sandels Schulter zur Seite. Endlich rutschte der Körper ein Stück weiter. Terz zog, stemmte sein Bein gegen die Fasskante. Mit einem Ruck kam Sandel frei, und Terz fiel auf den Waldboden.
    Er hatte lange überlegt, wie er die Leiche am besten loswürde. Komplettes Vernichten war zu aufwendig und schwierig. Er hätte den Kadaver zerteilen und Stück für Stück im Müll oder woanders deponieren müssen. Auflösen in Säure kam nicht in Frage. Woher sollte er unauffällig und schnell ausreichend Säure bekommen? Vergraben wäre eine weitere Möglichkeit. Anstrengend, langwierig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die Überreste irgendwann entdeckt. Selbst nach Jahren konnte man heute noch Spuren feststellen. Dasselbe galt für Wasserleichen. Deshalb konnte er Sandel auch nicht einfach in die Elbe werfen.
    Seltsam, dass er »Sandel« dachte statt »Sandels Leiche« oder »Sandels Körper«. Als ob der Mann noch leben würde. Als ob er ihm noch Schwierigkeiten machen könnte.
    Man würde Reste des Toten finden. Man würde ihn identifizieren. Man durfte nur keine Spuren sichern, die in irgendeiner Weise auf Terz wiesen.
    Er hievte den Körper in die Kiste und bedeckte ihn mit Reisig. Darauf verteilte er den Inhalt des Benzinkanisters. Sorgfältig suchte er die umliegenden Meter nach Fußspuren ab und vernichtete alle, die er fand. Fass und Kanister verstaute er wieder im Kofferraum. Am Zigarettenanzünder entflammte er einen Reisigzweig und kehrte zu Sandel zurück. Er hatte noch nie eine Leiche angezündet und fühlte, wie ihn etwas davon abhalten wollte, als ob ihn jemand an seinem Arm wegzog. Unsinn, eine Feuerbestattung war ganz normal! Aus sicherer Entfernung warf er das brennende Hölzchen und traf beim ersten Mal. Die Kiste explodierte in einem Feuerball.
    Zwischen den Flammen erschienen bizarre Formen, unklar, ob Äste oder Glieder. In einer plötzlichen Eingebung schlug er ein Kreuzzeichen und murmelte hastig: »Im Namen des Vaters oder an welchen Gott du auch immer geglaubt hast.«
    Gleich darauf musste er den Kopf schütteln über seine Sentimentalität. Als ob es für den Toten noch wichtig wäre. Doch vielleicht war es das für den Überlebenden.
    Er verharrte, ein Vogel zwitscherte Sandels Requiem. Die Flammen fingerten nach den untersten Ästen der Bäume. Aus feuchtem Holz stiegen Rauchschwaden und fingen sich

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