Das Prinzip Terz
Unsinn.«
»Also nicht. Gut, dann spreche ich jetzt einmal mit Ihren Kollegen. Tschüs.«
»Halt! Moment!«
Das Freizeichen klang Terz wie das Signal eines herannahenden Zuges, der ihn gleich zerschmettern würde.
Er musste so schnell wie möglich nach Hause und das belastende Material vernichten! Woher bekam dieser Keller seine Informationen? Hatte Biel etwa geplaudert, um Terz noch mehr unter Druck zu setzen? Dann war er deutlich zu offen gewesen. Terz war geliefert, sobald seine Kollegen wirklich zu suchen begannen. Viele Spuren waren noch frisch genug, um vielleicht gefunden zu werden.
Die Kinder. Elena. In Terz’ Hals bildete sich ein Kloß, wenn er daran dachte, dass sie alles erfahren würden. Abrupt hielt er an. Wo war die nächste Telefonsäule?
Terz fand eine am Jungfernstieg. Er wählte Kellers Nummer. Diesmal würde der Angerufene den Anrufer nicht über die Ziffern auf seinem Telefondisplay identifizieren können. Nach zwei Freizeichen meldete sich Keller.
»Ja?«
Terz verstellte seine Stimme: »Spreche ich mit Ansgar Biel?«
»Wer sind Sie?« Jetzt hatte er Biels Stimme eindeutig erkannt. Terz’ Herz klopfte vor Erleichterung bis gegen den Kehlkopf.
»Guten Tag, Herr Keller«, sagte er mit seiner normalen Stimme.
Einen Augenblick war es still am anderen Ende.
»Herr Kommissar. Das ging ja schneller als erwartet. Habe ich Sie erschreckt?«
Mehr als das. Dafür hasste Terz ihn tiefer als für alles, was Biel bisher getan hatte.
»Ein kleiner Vorgeschmack dessen, was auf Sie zukommt, wenn Sie nicht zahlen. Die Bilder haben Sie ja bekommen. Schön, nicht?«
»Sie sind ein begabter Fälscher.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
»Wahrscheinlich haben Sie die Bilder auf dem Computer manipuliert. Das ist leicht nachzuweisen.«
»Glauben Sie das nicht.«
»Ich bekomme sie vermutlich ohnehin nicht, selbst wenn ich zahle.«
»Schlauer Kommissar. Diese Bilder sind meine Altersversorgung.« Biel legte auf. Wütend starrte Terz auf den Hörer. Am meisten ärgerte ihn, dass er seine Fassung verloren hatte. Zorn baute sich in ihm auf wie Dampf in einem Druckkochtopf. Ziellos lief er durch die Innenstadt. Er brauchte Bewegung zum Nachdenken. Doch der Druck wuchs.
Viele Möglichkeiten gab es nicht. Er konnte Biel bezahlen. Das wollte er nicht.
Die Bilder würde er nicht so einfach bekommen wie das Tonband. Deshalb hatte Biel es auch so schnell herausgerückt. Er hatte ja noch die Fotos. Terz boxte gegen eine Hauswand und erntete befremdete Blicke.
Doch selbst wenn er an die Bilder kam, war das Problem nicht aus der Welt. Biel konnte seine Geschichte der Polizei erzählen. Dann würden die Kollegen genau wissen, wo sie suchen mussten. Und etwas finden. Terz hatte das Fass sorgfältig ausgewaschen und präpariert. Ausschließen konnte er jedoch nicht, dass darin Spuren zurückgeblieben waren. Auch in der Wohnung konnte man vielleicht mikroskopische Beweise für Sandels Anwesenheit finden. Etwa, wo dieser auf Tisch und Boden geschlagen war.
Dasselbe galt für die Stelle der Leichenverbrennung.
Auf keinen Fall durfte Terz Sandels Manuskript und Biels Unterlagen länger in der Wohnung aufbewahren.
Er musste diese Bilder haben.
Mit einiger Anstrengung könnte er die irrsinnige Summe vielleicht aufbringen. »Die Bilder sind meine Altersversorgung«, ätzte Biels Stimme durch seinen Kopf. Der Kerl konnte immer wieder kommen und neue Forderungen stellen, solange er die Fotos hatte, solange er lebte.
Solange er lebte.
Terz schob den ungeheuerlichen Gedanken zur Seite. Er war Kriminalkommissar, und als solcher sollte er Leben schützen. Andererseits war er ein Kommissar, der eine Leiche auf dem Balkon versteckte und im Wald verbrannte. Der bei seinen Mitmenschen einbrach und sie ausraubte. Wie Wasser durch den Haarriss eines Staudamms begann die Idee in sein Bewusstsein zu sickern.
Es gab zwei Möglichkeiten. Biel hatte einen Unfall. Einen solchen geschickt zu inszenieren, war verflixt schwierig. Terz hatte selbst schon einige vorgetäuschte Unfälle als Morde entlarvt.
War es dagegen von vornherein kein Unfall, musste die Polizei einen Täter finden. Die Gefahr bestand, dass sie erfolgreich war.
Außer, es gab schon einen. Und die Polizei wusste, wo sie zu suchen hatte.
Er war die Polizei.
In seinem Hirn wirbelte es, als führe er Achterbahn, er nahm die Passanten um sich nicht wahr, verwarf den Einfall, blieb mitten auf der Straße stehen und lachte wie ein Irrer, dass ihn Leute
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