Das Prinzip Terz
Sofatisch.
Auf Bild fünf schlug er zu.
Bild sechs war kein Bild, sondern ein kleiner Zettel mit Druckschrift:
»An die kommen Sie nicht mehr so einfach. Aber stellen Sie sich vor, Ihre Kollegen oder eine Zeitung …
Das Geld können Sie mir direkt geben.
Zur Strafe für gestern erhöhe ich auf eine Million.
Sie dürfen in Raten zahlen. Die erste erwarte ich bis Ende nächster Woche: Euro 500.000,–«
Darunter stand eine Kontonummer.
Terz zerfetzte das Papier in kleine Schnipsel. Eine Million. Lächerlich! Was für eine Vorstellung hatte Biel von seinen finanziellen Möglichkeiten? Hastig blätterte er die Aufnahmen noch einmal durch, bis der Lift unter dem Dach hielt. Er sammelte die Reste des Erpresserbriefes ein und hetzte in sein Arbeitszimmer. Wie üblich schlief die Familie noch. Auf dem Weg durchs Wohnzimmer warf er einen flüchtigen Blick über die Baumwipfel. Da drüben saß Biel jetzt und freute sich.
An seinem Schreibtisch untersuchte Terz die Fotos noch einmal genau. Auf einem hob er die Skulptur über den Kopf. Auf einem anderen schlug er sie in Sandels Schädel.
Hatte er etwas getan, woran er sich nicht erinnerte?
Nein. Es war ein Unfall gewesen. Sein liebenswerter Nachbar musste die Bilder manipuliert haben. Terz hatte keine Lupe bei der Hand. Mit freiem Auge war keine Auffälligkeit zu erkennen. Konnten Experten derartige Fälschungen entlarven? Es durfte nie dazu kommen, dass ein Experte diese Aufnahmen sah. In Terz wallte wieder das Adrenalin hoch. Vor ihm lag scheinbar der Beweis, dass er Sandel ermordet hatte. Er klebte den Brief zusammen und schob ihn mit den Bildern ins Kuvert, das er wie die anderen Manufakte dieses unseligen Falls in der untersten Schreibtischlade verwahrte. Schnell blätterte er die Zeitung durch, die er bisher keines Blickes gewürdigt hatte.
Auf Seite drei prangte die Schlagzeile: »Wer ist die brennende Leiche?«
Ausführlich berichtete der Artikel über ziemlich wenig. Ein Feuerwehrmann durfte erzählen, wie nach dem Löschen die Leiche entdeckt worden war. Ein Polizist erklärte, man habe noch keine Identifikation des Körpers, der bis auf die Knochen verbrannt sei und bei dem es sich wahrscheinlich um die Überreste eines Mannes handelte. Es gab weder Zeugen noch konkrete Hinweise.
Das hieß nur, dass die Polizei nichts an die Journalisten weitergegeben hatte. Ob Biel ahnte, wer der Tote war, wenn er davon erfuhr?
Terz wollte eben ins Bad gehen, da läutete das Telefon.
Da ein Einsatz oder der Anruf seiner Mutter über das Handy kommen würde, konnte das um diese Zeit nur einer sein. Er sah kurz durch die Terrassentür zu Biel hinüber und ließ es läuten.
Die Straßen der Innenstadt waren noch nicht menschenüberlaufen. Am Neuen Wall parkten Lieferwagen jedoch schon in zweiter Reihe und zwangen Terz, seinen Wagen im Halteverbot abzustellen. Auf seinem Weg warf er einen ausgiebigen Blick in das Schaufenster von Ladage & Oelke, entdeckte ein Paar Schuhe und einen leichten Sommerpulli, die ihm gefielen. Er bezwang die Lust, für einen Kaufrausch in das traditionsreiche Geschäft mit seinem altehrwürdigen Ambiente einzufallen, und spazierte in der angenehm frischen Luft weiter zu dem schicken Passagencafé, wo Tönnesen als Kellner gearbeitet hatte.
Als Terz sich vorstellte, strich der Manager nervös über seine Stoppelhaare.
»Polizei?«
Der Kommissar erklärte, dass er wegen Tönnesen kam.
»Ach so.« Der Manager schien erleichtert.
Terz wollte den Grund für dessen anfängliche Anspannung jetzt nicht weiter verfolgen. »Herr Tönnesen hat doch hier gearbeitet.«
»Bis zu seinem überraschenden Tod, ja.«
»Kannten Sie ihn näher?«
»Da sollten Sie Manni fragen. Der steht hinter der Bar.«
»War Tönnesen in letzter Zeit irgendwie verändert?«
»Das kann man wohl sagen. Wäre er nicht abgetreten, hätte ich ihm bald gekündigt. Er wurde immer frecher, auch zu den Gästen. In den letzten Wochen trug er plötzlich superschicke Klamotten. Und einen neuen Wagen hatte er auch, so ein italienisches Cabrio. Von dem Job hier konnte er sich das sicher nicht leisten.«
»Zahlen Sie so schlecht?«
»Keine Ahnung, woher er das Geld hatte. Vielleicht weiß Manni mehr.«
Terz stellte sich an den Tresen und bestellte einen Kaffee. Manni war fast so groß wie er, sehr gut trainiert, trug die Stoppelfrisur seines Chefs, Koteletten und ein freundliches Grinsen im Gesicht.
»Ich weiß nichts Genaues«, antwortete er auf Terz’ Frage. »Fredo machte
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