Das Prinzip Terz
einen fruchtigen Sommerduft, um die vergangenen Stunden zu vertreiben. Es war Zeit, dass er sich wieder seiner Arbeit widmete.
Tönnesens Nachlass lagerte in einer Altonaer Halle. Der Altwarenhändler war ein mürrischer Mann mit hängendem Schnurrbart. Er begleitete Terz zu dem Haufen, murmelte etwas und verschwand wieder.
Auf vier Quadratmetern standen Bett, Sofa, Schränke, Regale und Dutzende Kisten. Terz öffnete eine davon. Bücher. In den anderen fanden sich ebenfalls Bücher, Küchenutensilien und Kleidung. Einer barg persönliche Dokumente und Papierkram. Terz setzte sich auf einen von Tönnesens Stühlen und studierte die Unterlagen genauer. Rechnungen, Kontoauszüge, Versicherungsscheine, Fahrkarten, Flugtickets, Autokataloge, Wohnungsangebote mit Daten kurz vor Tönnesens Tod. Etwas fehlte. Vielleicht hatte er es auch nur übersehen. Er wühlte noch einmal alles durch. Nur ein Schmierzettel mit ein paar Namen und Zahlenreihen. Das konnte doch nicht alles sein. Auf dem Handy wählte Terz eine davon, Krobat 991 245. Die aufsteigende Melodie toter Anschlüsse erklang. Der ganze Krempel musste ins Präsidium. Die Techniker sollten ihn genau unter die Lupe nehmen. Und Lund jedes Stück davon überprüfen. Er suchte den Besitzer des Lagers.
»Das ganze Zeug wird abgeholt. Lassen Sie es bis dahin unverändert.«
»Aber ich bekomme es wieder.«
»Sobald wir es untersucht haben. Ist das da hinten alles? Haben Sie schon etwas vernichtet oder verkauft oder in der Wohnung gelassen?«
»Ich räume die Wohnungen komplett leer, dafür bekomme ich alles umsonst. Das hier muss ich erst mal durchsehen, bevor ich etwas verkaufe.«
»Das heißt, Sie haben kein Adress- oder persönliches Telefonbuch in der Wohnung gefunden?«
»Wenn bei dem Zeug keines ist, dann nicht.«
Terz hatte kein gutes Gefühl, als er das Lager verließ. Aber das hatte er schon seit ein paar Stunden nicht.
Die Sommerhitze hatte sich auch im Besprechungszimmer breit gemacht.
»Wie siehst du denn aus?«, begrüßte ihn Perrell.
»Beim Jogging heute Morgen ausgerutscht.«
Sammi war bei Herrn Kantau gewesen. »Er weiß wohl nichts von den Affären seiner Frau. Also habe ich ihm auch nichts davon gesagt.«
Er wird es noch früh genug erfahren, dachte Terz. Er erwähnte Amelie Kantaus dünnes Alibi für Tönnesens Todeszeit. Sammi registrierte es, wollte sie aber ausnahmsweise nicht gleich noch einmal selbst verhören.
Perrell hatte Tönnesens Nachbarn befragt. »Einer von ihnen will an besagtem Tag einen auffälligen Fremden im Haus gesehen haben, sehr groß, stark, kurze Haare oder Glatze, Narbe am Hinterkopf.«
Terz horchte auf. »Genau beobachtet. Würde er ihn wieder erkennen?«
»Keine Ahnung.«
»Tönnesen hatte einen Arbeitskollegen, auf den die Beschreibung passen könnte.« Nur an eine Narbe konnte er sich nicht erinnern. »Überprüft das einmal.« Er nannte ihnen den Namen des Cafés und beschrieb Manni. »Sonst noch was?«
Nichts. Sie kamen nicht weiter in dem Fall.
Kurz nach sieben war Terz zu Hause. Als er die Wohnung betrat, hörte er Elena auf der Terrasse schimpfen. Sie saß am Gartentisch hinter ihrem Laptop. Die Mädchen kauerten am Boden über der Vogelschachtel. Er begrüßte sie mit einem Kuss.
»Was ist denn?«
Sein Blick schweifte zu Biels Apartment, in dem die Leiche lag.
Elena klagte: »Dieses Mistgerät ist wieder einmal abgestürzt. Gleich so richtig. Ich hasse das. Jetzt muss ich wieder alles einrichten. Datum, Uhrzeit und so.« Sie sah auf. »Was ist denn dir passiert?«
»Ausgerutscht.« Zur Ablenkung fragte er: »Und wie geht es Vogel?«
»Heute ist er müde«, antwortete Kim unbeschwert.
Noch ein unauffälliger Blick über die Baumwipfel, und Terz ging ins Bad, um zu duschen. Er war fast nackt, als er innehielt. Plötzlich pulsierte ein Gefühl in seinem Kopf, als sei zwischen den Hirnwindungen eine winzige Perle versteckt. Eine Ideenperle. Sie war wichtig für den Fall, das spürte er. Aber er konnte sie nicht finden.
Elena hatte irgendetwas gesagt. Oder getan. Hatte es mit Elena zu tun? War es ein Duft auf der Terrasse gewesen oder eine Farbe, eine Lichtreflexion, die etwas in seinem Gedächtnis ausgelöst hatte? Der Blick zu Biels Apartment? Der müde Vogel?
Er würde die Perle wohl ruhen lassen müssen, damit sie Perlmutt ansetzen konnte. Noch etwas reifen, dann war sie groß genug. War es vielleicht ein Geräusch gewesen?
In Shorts kehrte er auf die Terrasse zurück.
Elena tippte auf dem
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