Das Prinzip Terz
hier?«
Die beiden anderen wandten sich um. Kommissar Fred Hasselbach, so groß, dass er sich immer etwas gebeugt hielt, mit seinem imposanten grauen Schnauzbart. Und Emil Wilms, untersetzt, blonde Kurzhaarfrisur und Hände wie ein Metzger. Hasselbach war wie Terz Abteilungsleiter, allerdings sechzehn Jahre älter.
»Ich wohne gegenüber«, klärte Terz ihn auf. »Da habe ich euch gesehen. Was ist passiert?«
Er hatte sich zu ihnen gesellt und ging einmal um die Leiche herum. Biel schien zu schlafen.
»Wir wissen es selbst noch nicht. Sind gerade erst gekommen«, erwiderte Hasselbach unwirsch.
Terz streunte durch die Wohnung, grüßte andere überraschte Kollegen, war zwischen all den weißen Overalls ein locker gekleideter Fremdkörper.
Beiläufig warf er einen Blick ins Bad, das Schlafzimmer, Technikraum und Küche, dann kehrte er zu Hasselbach und Wilms zurück, kratzte sich nachdenklich am Kopf.
»Pass auf, dass du uns hier nicht die Spuren verdirbst«, beschwerte sich Hasselbach.
»Natürlich. Entschuldige.« Schuldbewusst sah er an sich hinab, zupfte an seiner Jacke. »Ich gehe am besten wieder. Dann könnt ihr in Ruhe euren Job machen. Und wenn mir langweilig wird, sehe ich euch von drüben zu.«
Zufrieden setzte Terz sich mit seinem Laptop auf die Terrasse.
Gedankenverloren starrte er auf den Bildschirm, als das System hochfuhr. Während seines gesamten Aufenthalts bei Biel gestern hatte er den Overall mit Kapuze und die Handschuhe getragen. Die einzigen Spuren konnten Hautpartikel, Schweiß oder Haare aus seinem Gesicht sein. Wenn man tatsächlich welche fand, würde man es nun auf seinen Besuch am Tatort in Zivilkleidung schieben.
In der Leiste am unteren Bildschirmrand blinkte die Uhrzeit. Zwölf Uhr achtundvierzig. In Terz’ Kopf begann wieder dieses Gefühl zu pulsieren, die Ideenperle. Warum tauchte es auf, wenn er auf den Bildschirm starrte? Auf die Uhrzeit? Elena hatte auch vor dem Computer gesessen. Hatte sie nicht etwas von Datum und Uhrzeit gesagt? Was war es gewesen? Ihre Festplatte war abgestürzt, und sie musste Uhrzeit und Datum neu einstellen. Das Datum.
Er sprang auf und rief im Präsidium an. Es dauerte viel zu lange, bis jemand abhob. Er fragte den Beamten nach Peer Solsteen.
Heute ist doch Sonntag, war die erstaunte Antwort, da ist der nicht im Haus. Terz ließ sich die private und die Handynummer geben. Bei Solsteen lief der Anrufbeantworter. Er erreichte ihn am Mobiltelefon, nur um zu hören, dass er erst am Abend von Amrum zurückkam. Terz musste bis morgen warten.
»Ich will Vogel wieder«, erklärte Lili, als sie nach Hause kam. »Er fehlt mir so.«
Terz musste mit den Kindern zum Grab gehen.
»Ist Vogel jetzt im Himmel?«, schluchzte Lili.
»Natürlich«, tröstete er. »Dort sind Vögel ja am liebsten.«
Kim lächelte schon wieder etwas, wurde beinahe keck. »Außer Pinguine.«
Über Nacht hatte sich der Himmel zugezogen. Als Terz am Montagmorgen von seinem Lauf um die Alster zurückkehrte, fielen erste Tropfen.
Im Lift überflog er die Schlagzeilen. Nichts über Biel. Erst auf Seite sieben fand er einen Bericht. Wenige Zeilen sprachen von Mord, kein Foto des Toten.
Gegen neun Uhr war er im Büro. An der Espressomaschine traf er Maria Lund. Perrell kam dazu. Das Strahlen der beiden war unübersehbar. Die Besprechung am Freitag war wohl nicht ihr letztes Zusammensein gewesen. Vor ihm jedoch versuchten sie sich nichts anmerken zu lassen. Terz freute sich für die beiden. Gleichzeitig war er nicht besonders glücklich über solche Verbindungen in seinem Team. Sie konnten zu Konzentrationsschwächen und Fehlern führen. Aber er wollte das junge Glück nicht trüben. Erst einmal abwarten, was sich daraus entwickelte. Sammis Auftauchen kühlte die Unterhaltung ab.
»Schade, dass du am Samstag nicht konntest«, sagte er angestrengt beschwingt zu Lund. »War eine tolle Party.«
»Ein andermal vielleicht«, wich diese aus und schenkte Perrell ein heimliches Lächeln, in dem Mitleid und Spott für Sammi mitschwangen.
Das Telefon beendete einen unangenehmen Moment der Stille. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Sabine Krahnes unverkennbare Stimme.
»Guten Morgen, Konrad. Ich denke, du solltest dir hier einmal etwas ansehen.«
Krahne wusste, dass Terz die Obduktionsräume hasste. Umso mehr Vergnügen bereitete es der Gerichtsmedizinerin, ihn dorthin bestellen zu dürfen.
Terz schlug vor, sie solle zu ihnen kommen.
»Ich habe noch keine Fotos zum Mitbringen«,
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