Das Prinzip Terz
schoss es aus dem Hörer. »Off the records –«
»Nichts off the records . Ich wünsche dir einen schönen Abend.« Terz legte auf und wählte sofort Finnens Nummer. Natürlich war besetzt. Terz versuchte es auf der geheimen. Nach ein paar Freizeichen hob der Staatsanwalt ab.
»Ich hatte eben einen Anruf von Fodl«, erklärte Terz.
»Ich weiß«, stöhnte Finnen. »Bei mir hat er es auch schon versucht. Jetzt fliegt uns die ganze Geschichte um die Ohren. Söberg wurde auch bereits darauf angesprochen. Dabei hat er sich schon so aufgeregt, als ich ihm heute von den neuen Entwicklungen berichtete.«
»Vielleicht trifft ihn morgen früh der Schlag, wenn er die Zeitung sieht. Dann sind wir ihn wenigstens los.«
»Ich werde für morgen eine Erklärung vorbereiten. Außerdem will ich das gesamte Team sprechen.«
Elena sah von ihrem Magazin hoch. »Probleme?«
»Eigentlich nicht.« Terz kraulte Onkel Vito hinter den Ohren.
Die Veröffentlichung brachte eine ganz neue Variable ins Spiel. Terz glaubte nicht wirklich, dass Frau Kantau Tönnesen und Sorius getötet hatte. Er hatte sie im Fall Biel als Täterin inszeniert, weil sie am geeignetsten dafür schien. Sobald man herausbekam, wo sie zur Tatzeit gewesen war, würde sie mächtig Schwierigkeiten bekommen. Doch der Mörder lief da draußen noch herum, davon war er überzeugt. Was würde er tun, wenn die Nachricht von Biels Tod erschien?
Morgen würde er in der Zeitung lesen können, dass ein dritter Mann auf die gleiche Weise getötet worden war wie seine beiden Opfer.
Als Einziger außer Terz wusste er, dass es im dritten Fall einen anderen Täter gab.
Dann könnte er an einen Zufall glauben. Oder er begriff, dass jemand die Situation ausnutzte. Wenn er nicht dumm war, würde er sogar dahinter kommen: Den Modus Operandi kannte vor Biels Tod nur die Polizei. Würde er reagieren? Würde er gar einen Fehler machen? Oder würde er sich verhalten, als wäre nichts geschehen?
Auf Terz’ Schoß schnurrte Onkel Vito.
15
Er konnte sich nicht rühren. Dabei wusste er, was kommen würde. Als wäre er an die Wand genagelt, starrte er auf die nächtliche Terrasse. Wie ein Affe kletterte Biel über das Geländer. Sein Gesicht leuchtete weiß im Mondlicht. Terz rannte los. Doch er kam nicht vom Fleck. Höhnisch grinsend näherte sich Biel. Er schien gewachsen zu sein, überragte Terz um einen Kopf. Terz wollte sich von der Wand fortstoßen. Seine Beine strampelten wie im Sprint. Er blieb, wo er war. Mit ausdruckslosen Augen hob Biel seine Hand zum Schlag. Terz wollte die Arme hochreißen, doch sie schienen an der Hose festgewachsen. Biels Hand sauste nieder. Terz schrie. Die Hand traf seinen Hals. Die andere rüttelte an seiner Schulter.
»Was ist los?« Biel rüttelte weiter und verschwand mit der Terrasse im Dunkeln. Terz wartete auf den Herzstillstand.
» O dio! Was ist denn los«, rief Elena noch einmal. Sie schüttelte seine Schulter.
»Ein Albtraum«, stammelte er. »Es muss ein Albtraum gewesen sein.«
»Das habe ich ja noch nie erlebt bei dir«, sagte sie.
»Ist schon vorbei«, beruhigte er sie.
Sie nahm ihn in den Arm und war gleich wieder eingeschlafen.
Das Telefon weckte ihn aus seinem unruhigen Schlaf. Ein verschlafener Blick auf den Wecker zeigte ihm, dass es kurz vor sechs Uhr morgens war. Terz meldete sich mit belegter Stimme, räusperte sich, während der Anrufer bereits losredete:
»Was sagen Sie zu den heutigen Schlagzeilen des Abendblatts, dass …«
Terz legte auf und zog das Telefon ab. Das würde ein Tag werden! Er fühlte sich, als wäre eine Straßenwalze über ihn hinweggerollt.
»Du hast schlecht geschlafen«, sagte Elena. »Erinnerst du dich?«
»Nein«, log er.
Er hatte davon gelesen. Er hatte es bei anderen erlebt. Er hatte nicht gedacht, dass es ihn jemals erwischen würde. Die Panikattacke vom vergangenen Nachmittag passte dazu. Angstzustände nach traumatischen Erlebnissen. So formulierten es heute die Psychologen. Zu einer anderen Zeit oder in einer anderen Weltgegend hätte man gesagt, Biels Geist verfolge ihn.
Wie hätte er Elena davon erzählen können? Er vermisste Kantusse. Obwohl er auch mit dem nicht darüber reden könnte.
Trotz seiner Müdigkeit ging er laufen. Der regelmäßige Takt seiner Schritte ließ ihn in eine Trance fallen, die den nächtlichen Albtraum verscheuchte.
Als er nach Hause zurückkam, warteten bereits zwei Journalisten vor dem Tor.
Terz entzog sich mit »Kein Kommentar« und ließ die beiden
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