Das Prinzip Uli Hoeneß
Fahrt ist, bleibt kaum ein Auge trocken, dann kotzt er alles aus, was ihm nicht passt. »Ich bin berechenbar«, beschrieb er sich einmal selbst als einen Mann, der sein Herz auf der Zunge trägt, ehrlich und geradeaus, ohne Hinterfotzigkeiten. Und nicht nur direkt sei er, sondern dazu auch noch spontan. »Bei mir muss der Zorn gleich raus, auch wenn ich oft lieber den Mund halten sollte. Dafür kriege ich halt kein Magengeschwür.« Und weil alles so unmittelbar aus ihm herauskomme, sei er manchmal eben etwas ungehobelt. »Wenn ich anfangen muss, jedes Wort weichzuspülen, nur weil das eben zeitgemäß ist, dann bin ich falsch in dem Geschäft.« Er sei »halt einer mit Ecken und Kanten«, bekannte er achselzuckend und schimpfte munter weiter. Klug war es vielleicht nicht immer, so offen aggressiv zu sein, und das wusste er natürlich auch selbst, denn Freunde konnte man sich auf diese Weise kaum machen. Doch er beharrte auf seiner Freiheit, allen seine Meinung zu sagen, so oft er es für richtig hielt. Und er hatte Prinzipien: »Ich suche die Konfrontation nicht, aber ich gehe ihr auch nicht aus dem Weg. Ich habe noch nie von hinten geschossen, ich gehe immer frontal auf die Leute zu, auf die, die uns mögen, aber auch auf die, die uns bekämpfen. Damit bin ich gut gefahren in meinem Leben.«
Wenn »gut gefahren« heißen sollte, dass er sich im Guinness-Buch der Rekorde den Platz eins unter der Rubrik »meistgehasster Mann Deutschlands« hätte sichern können, dann – aber nur dann – lag er mit seiner Äußerung genau richtig. »Der Manager des FC Bayern München sammelt Männerfeindschaften wie Meisterschalen«, schrieb die »FR« einmal, und heute wachsen in Internet-Foren wie »antibayern.de« spezielle Uli-Hoeneß-Sections, in denen alle »arroganten, beleidigenden, überheblichen, großkotzigen Sprüche« gesammelt werden, die der Bayern-Manager im Laufe seiner langen Karriere getätigt hat. Hoeneß hat es seinen Gegnern immer leicht gemacht und mit seinem provokativen Verhalten selbst entscheidend dazu beigetragen, dass er bei Auswärtsspielen der Bayern so oft mit »Hoeneß-du-Arschloch«-Rufen empfangen wurde und von seinen Gegnern gleichsam als Ekel der Nation an den Pranger gestellt werden konnte. Er habe eben keine Lust, Konflikten aus dem Weg zu gehen, bestand er trotzig auf seiner deftigen Form der Seelenhygiene, und er wolle sich nicht ständig fragen, wie seine Worte in der Öffentlichkeit ankommen. »In unserer Gesellschaft wird halt die offene Meinung nicht mehr gewünscht«, beschwerte er sich, aber er werde sich trotzdem nicht ändern. Dass er darüber nie der Liebling der Nation werden könne – sei’s drum. Und, immerhin, es gebe ja auch einige Leute, denen seine Geradlinigkeit gefalle. »Unsere Fans wollen genau diesen Hoeneß haben, vor allem Frauen sagen mir das.«
Der tobende und polternde Hoeneß ist ein Hassobjekt. Aber dieses Hassobjekt hat auch einen Kultstatus. Ohne den öffentlichkeitswirksamen Aggressionsstempel des Managers wäre die Marke FC Bayern wohl kaum das geworden, was sie heute ist. Und so wäre zu fragen, ob nicht noch mehr dahinter steckt als pure und letztlich naive Emotionalität. »Du teilst aus, bist aber nicht in der Lage, einzustecken«, hat der Psychologe Udo Lattek seinem ehemaligen Zögling einmal entgegengehalten. Dieser Hinweis auf ein besonders empfindliches Temperament mag die Häufigkeit der reaktiven Erregung etwas verständlicher werden lassen. Aber ist damit schon alles erklärt? Lautstark, provokativ und unerschrocken stößt Hoeneß seinen Gegnern Bescheid – aber sagt er auch alles, was er denkt? Ist er tatsächlich nur eine zwar hochexplosive, im Grunde aber arglose Emotionsbombe, als die er sich ab und an gern darstellt? Oder steckt nicht vielleicht doch ein wenig Kalkül und Methode hinter seinen Aktionen, ist er vielleicht so etwas wie ein berechnender Bauchmensch? Außerdem wäre die Frage zu beantworten, wer zuerst schoss: die »Feinde« gegen Hoeneß oder Hoeneß gegen die »Feinde«? Es ist in jedem Fall nicht uninteressant, die psychologischen Hintergründe und die Funktionsweise der »Abteilung Attacke« etwas genauer zu betrachten.
Der ungeliebte FC Arroganz
Es ist unmöglich, den in Deutschland grassierenden Hass auf Uli Hoeneß getrennt zu betrachten von der noch weiter verbreiteten Anti-Bayern-Stimmung. Als symptomatisch kann ein 1999 publiziertes Lied der »Toten Hosen« gelten, in dem Sänger Campino über den
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