Das Prinzip Uli Hoeneß
Gastspiel im Essener Stadion an der Hafenstraße ein Messer aus dem Fanblock und blieb wenige Meter vor Sepp Maier im Gras stecken. Pöbeleien waren oft schon bei der Ankunft der Münchner Stars an der Tagesordnung, vor vielen Stadien wurde regelmäßig gegen den Mannschaftsbus der Bayern getreten. Die Bayern nahmen den Fehdehandschuh auf, reagierten zuweilen deftig – einmal zog der »Kaiser« sein Gesäß blank – und in der Regel mit einer Ritualisierung der Überlegenheitsattitüde. Ein bisschen, gab Uli Hoeneß zu, habe man sich diesen Hass wohl auch selbst zuzuschreiben, denn manchmal sei man wirklich »schon ziemlich arrogant aufgetreten«. Ein Fehler sei insbesondere das abweisende Verhalten gegenüber den Gastgebern bei den Europapokalspielen in der ehemaligen DDR gewesen, in Dresden und in Magdeburg. Man habe sich damals keine Gedanken gemacht über die Folgen, meinte er entschuldigend. »Heute räume ich ein, dass wir überreagiert haben und selbst schuld waren, wenn uns Abneigung entgegenschlug!«
Die Kernkritik an den Bayern war also eine ästhetische Kritik, und die fiel umso leichter, je arroganter die Bayern ihre Erfolge zelebrierten. Uli Hoeneß wollte darin freilich im Prinzip nichts anderes erkennen als den Neid der Konkurrenz: »Bei uns läuft es eben zu gut. Das passt vielen Leuten nicht. Unser Erfolg geht ihnen auf den Keks. Sie neiden uns die gute Arbeit. Missgunst ist eben eine typisch deutsche Tugend.« Als er das sagte, waren bereits die achtziger Jahre angebrochen und er auf den Posten des Managers gewechselt. Die Bayern waren dabei, in der Bundesliga den Erfolg zu monopolisieren, und weil ihre Gegner sich das anders nicht zu erklären wussten, hatten sie schnell einen Alleinschuldigen ausgemacht: das Geld. Bald kursierte außerhalb des Bayern-Lagers das Vorurteil, man habe es hier mit dem arroganten Krösus aus dem Süden tun, mit dem Zentrum des Fußball-Kapitalismus, wo nur der Zaster zählt und man Spieler einkaufen kann, wie man gerade Lust hat. Die Frage, ob die Bayern tatsächlich so viel Geld hatten, interessierte kaum jemanden. Klar war ja, dass Hoeneß sich so verhielt, als ob sie es hätten, und daher wurde nun aus der Abneigung gegen die Bayern ein dezidierter Hoeneß-Hass. Er kaufe als »Wilderer der Bundesliga« mit skrupellosen Methoden anderen Vereinen die besten Spieler weg, lautete der Standardvorwurf, und schaffe damit eine Art Zweiklassengesellschaft: oben die Bayern, darunter der Rest. »Keiner ist so verhasst wie ich«, musste Hoeneß bereits nach nur zwei Managerjahren feststellen, nachdem er sich durch seinen Erfolg, aber auch wegen seiner aggressiven Transferpolitik allseits unbeliebt gemacht hatte.
In den folgenden Jahren wurde es nicht viel besser. Egal, was er machte – Uli Hoeneß wurde das Bild des bösen Buben nicht mehr los. Als der Besitzer des AC Mailand, Silvio Berlusconi, die Idee einer Europaliga aufs Tablett brachte, wurde dem für die Einführung einer Champions League plädierenden Bayern-Manager sogleich unterstellt, eine geschlossene Gesellschaft der Elitevereine anzustreben. Und wenn er bei den Verhandlungen um Fernsehverträge die besondere Rolle seiner Bayern in der Bundesliga herausstellte und damit die Forderung verband, dass der beste Verein auch mehr Geld erhalten müsse – denn alles andere sei verkappter Sozialismus –, wurde er umgehend als egoistischer Kämpfer für bayrisches Großkapital diffarmiert oder, etwas deftiger, als fette Gans, die sich noch den Arsch schmieren lassen will. Nicht immer waren die Vorwürfe gerecht, aber Hoeneß war ja kaum einmal darauf bedacht, sich aus der Schusslinie zu nehmen.
Vielleicht hätte sich die Situation für ihn etwas freundlicher gestaltet, hätten die Bayern das Fußballpublikum ein paar Mal mehr auf dem Platz begeistert. Obwohl sie in der Bundesliga in Serie siegten und oft die meisten Tore schossen und obwohl sie als einzige deutsche Mannschaft regelmäßig im Europapokal antraten, lösten ihre Erfolge außerhalb des Bayern-Fanlagers nur selten Begeisterung aus. Anlass zur Schwärmerei über wie im Rausch erspielte Siege oder zum Zungenschnalzen über perfekt einstudierte Finesse gab es kaum einmal. Im Oktober 2006 schrieb der »Tagesspiegel« nach einem neuerlichen Aus in der Champions League, dass es an und für sich keine Schande sei, gegen Klubs wie den FC Chelsea oder den AC Mailand auszuscheiden. »Was bei den Niederlagen mehr beunruhigte: Es fehlte eine klare Strategie, eine
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