Das Prinzip Uli Hoeneß
Werbeagentur-Besitzer aus Winnenden befreundet, und einer seiner Angestellten hat aus lauter Übereifer heraus derartige Angebote an verschiedene Illustrierten gerichtet – ohne unser Wissen! Der Mann wurde dann kurz darauf entlassen.« Der Bräutigam bereute die Sache ebenfalls. Als er im Jahr 2009 zum x-ten Mal auf die Angelegenheit angesprochen wurde, sprach er von einem »Riesenfehler« und davon, dass er damals, in den siebziger Jahren, zu sehr hinter dem Geld her gewesen sei. Angenehm war ihm das Image des Raffkes offensichtlich schon damals nicht, denn er war stets bemüht, sich als ehrlicher Makler der von ihm beworbenen Produkte zu präsentieren. »Die Produkte, die er anpreist, verwendet Uli Hoeneß auch zu Hause«, schrieb etwa die »Abendzeitung« in einem Personality-Artikel. »Er schmiert Rau-Margarine aufs Brot, isst Langnese-Eis zum Nachtisch und hat sein Geld auf einer Raiffeisenbank.«
Die Fotos von der Trauungszeremonie in Rottach-Egern zeigen den Bräutigam im schwarzen Anzug mit Fliege, die Braut im langen, weißen Kleid, ein Myrtenkränzchen im blonden Haar. Eigentlicher Star des Ereignisses war aber nicht das Brautpaar oder der extra engagierte Tölzer Knabenchor, sondern ein spezieller Gast. Die Trauungszeremonie lief bereits, da öffnete sich plötzlich mit lautem Knarren die Tür zur Sakristei, so der Reporter der »Bild am Sonntag«, und die massige Gestalt von Franz-Josef Strauß erschien. »Als der letzte Ton der Orgel verstummt, hat sich der CSU-Vorsitzende Strauß mit einem Gewürzblumenstrauß in der Hand bis zur Höhe des Brautpaares vorgerobbt. Jetzt gratuliert er dem blonden Fußballstar und seiner Frau unter dem Blitzlichtgewitter zahlreicher Fotografen als Erster.«
Uli Hoeneß war glücklich wie selten. Beflügelt von einer Art Hochzeitseuphorie hatte er gegen Dynamo Dresden im Achtelfinale des Europapokals sein bisher bestes Spiel im Bayern-Trikot absolviert, und dann hielt auch noch der von ihm bewunderte Franz-Josef Strauß spontan eine Rede zum Lob der Dame, die er ausgewählt hatte. »Das war nicht so vorgesehen, es war aus dem Stehgreif«, kommentierte er das Ereignis. »Alle waren begeistert, auch die, die politisch nicht seiner Meinung sind.« Er selbst, daran ließ er keinen Zweifel, bekannte sich klar zur damaligen Opposition und ihrem bayerischen Aushängeschild. Er sei zwar kein CSU-Mitglied, wähle diese Partei aber, weil sich in Deutschland einiges ändern müsse und dies nur durch einen Regierungswechsel geschehen könne. Aber sein Faible für Strauß, mit dem er sich ab und an zu einem gemeinsamen Essen traf, hatte auch noch andere Hintergründe. »Ich war eigentlich ein unpolitischer Mensch«, bekannte er einmal. »Aber mein Ziel war klar: Ich wollte nach oben, und da lagen in München Strauß und die CSU natürlich nahe.« Und so wie der CSU-Anhänger Hoeneß ein Fan des bayerischen Ministerpräsidenten war, so war das Bayern-Mitglied Strauß ein Fan des aufstrebenen Fußballstars.
Die vertrauliche Nähe zu einem Mann wie Strauß war genau das, was Hoeneß mit seiner Umtriebigkeit hatte erreichen wollen. Das Dasein als Fußball- und Werbestar befriedigte den Anerkennungshunger des ehrgeizigen Aufsteigers nicht wirklich. Er wollte auch den direkten Kontakt zu hochrangigen und mächtigen Leuten. Die wiederum sperrten sich nicht, sondern begrüßten den jungen Mann freudig als Gleichgesinnten. Nicht nur ein Franz-Josef Strauß erkannte in Hoeneß jenen unerbittlichen Ehrgeiz wieder, der ihn selbst groß gemacht hatte. Hoeneß fand auch Aufnahme in einen erlauchten Kreis von Geldleuten, darunter Rudolf Houdek, der Fleischmagnat, Rudolf-August Oetker, der Chef des riesigen Multikonzerns, die Discounter-Könige Albrecht und die schwerreiche Unternehmerfamilie Snoek. »Ich habe eben die richtigen Partner fürs Leben gefunden, und darauf kommt es an«, frohlockte er mit dem Stolz des Metzgersohns, der einen märchenhaften Aufstieg geschafft hatte. Hier, unter diesen Erfolgsmenschen, fühlte er sich zu Hause und am richtigen Platz. Die gewaltigen unternehmerischen Leistungen, die solche Leute vollbracht hatten, inspirierten ihn. Was er noch brauchte, war eine eigene Position, mit der er sich im Kreis dieser Mächtigen würde profilieren können. Nur Fußballspieler zu sein, und sei es mit noch so vielen Werbeverträgen, genügte jedenfalls nicht. Seine Bescheidenheit, die er geradezu demonstrativ zur Schau stellte, war für ihn kein Widerspruch zu seinen Ambitionen.
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