Das Prinzip Uli Hoeneß
zwischen den beiden, sehr eng. So eng, dass sie schon bald als »siamesische Zwillinge« bezeichnet wurden. »Jeder kannte von dem anderen alles«, so Breitner. »Es war so, dass wir ab einem gewissen Zeitpunkt gesagt haben: Es ist eigentlich egal, wer ans Telefon geht, wenn’s läutet. Weil: Beide wissen sowieso, worum’s geht, beide können für den anderen antworten.«
Das unzertrennliche Pärchen hielt in allen Lebenslagen zusammen. Als Breitner zum 1. Oktober 1970 zur Bundeswehr einrücken sollte, weigerte er sich, dem Einberufungsbefehl Folge zu leisten, und schlich sich, als die Feldjäger vor der Haustür standen, in den Kohlenkeller. Sein Mitbewohner wimmelte die Häscher ab und erfand dabei die fantasievollsten Ausreden. Elf Tage hielt Breitner als »Kellerkind« durch, dann meldete sich der Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker und redete ihm ins Gewissen: Die Gefahr, dass man ihn auf dem von sensationslüsternen Journalisten umlagerten Trainingsplatz verhafte, wachse von Tag zu Tag. Breitner gab schließlich auf und versuchte unter Verweis auf seine Wirbelsäulenbeschwerden bei der Bundeswehr den Kranken zu spielen – vergeblich. Während seines Wehrdienstes geriet er völlig außer Form und wurde umso übellauniger, je erfolgreicher sein Wohnungspartner währenddessen seine Karriere vorantrieb. Immer häufiger krachte es zwischen den beiden Freunden. Vielleicht zwickte den nörglerischen Breitner neben seiner frustrierenden Situation zudem ein wenig der Neid, dass Hoeneß immer einen Tick schlauer war als er. So auch in Sachen Bundeswehr. Mit der Begründung, dass er Probleme mit dem Knie habe und ihm das Tragen eines Helmes Schmerzen im Kopf verursache, hatte es Hoeneß tatsächlich geschafft, untauglich geschrieben zu werden.
Als Typen waren die zwei Freunde sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite der schwäbische Modellathlet, der sehr viel Wert legte auf ein gepflegtes Äußeres. Er sei nicht nur hoffnungslos ehrgeizig, erläuterte der junge Hoeneß, sondern auch eitel. Seinem damals noch wallenden blonden Haar widmete er allergrößte Aufmerksamkeit; er wusch es täglich und brachte es mit einem überdimensionalen Fön in Form. Zimmergenosse Paul Breitner wunderte sich und machte seine Witze über diesen »Foeneß«. Er selbst wirkte wie das Gegenmodell zu diesem Strahlemann: Bärtig, die dunklen Haare im Afrolook, stets mürrisch und überkritisch, umgab den Pädagogikstudenten aus Freilassing die Aura eines linken Revoluzzers. Der »rote Paul«, wie Breitner bald von den Medien getauft wurde, ließ sich mit der kommunistischen »Peking Rundschau« vor einem Mao-Poster ablichten und erklärte eine Niederlage der Amerikaner in Vietnam zu seinem größten Wunsch. Der stockkonservative Präsident Neudecker wunderte sich über den seltsamen Sozialisten Breitner. »Der gibt sich sozialistisch und verdient mehr als zehn Arbeiter zusammen.« Als der FC Bayern im September 1971 zum Europapokalspiel gegen den tschechoslowakischen Vertreter Skoda Pilsen reiste, schlug der tiefschwarze CSUler dem »Revoluzzer« vor, den Mannschaftsbus zu verlassen, um in den »Sozialismus« überzusiedeln. Breitner blieb natürlich dort, wo es bequemer war und wo es mehr Geld gab. Viel mehr Geld. Geld, das er zu einem großen Teil nicht zuletzt den Aktivitäten seines Partners Hoeneß zu verdanken hatte, der ihn immer wieder an seinen Geschäften beteiligte.
Hinter dem »Parade-Linken« Breitner stand freilich nicht viel linke Substanz. »Ich kam in einer Phase nach München, in der in ganz Deutschland jeder, der jung war und sich zu irgendwas Politischem geäußert hat, ein Linker war«, erklärte er im Jahr 1982 gegenüber der Zeitschrift »Konkret« die Hintergründe seines Images. »Ich habe damals in einem Interview auf die Frage, was ich denn lese, gesagt, dass ich mich für Jerry Cotton und Western interessiere. Und als die fragten: Was haben Sie denn dabei, habe ich geantwortet: Irgendwelche Bücher und Psychologie und wahrscheinlich auch den Lenin oder so. Aha, auf Wiederschaun, am nächsten Tag war ich der Rote, der Linke.« Der CSU-Wähler Hoeneß indes empfand sich ebenfalls als Teil der 68er-Generation, jener Generation also, die sich gegen das Establishment und verkrustete Hierarchien auflehnte. »68er« könne man auch sein, meinte er, ohne zugleich ein »Linker« werden zu müssen. Er verstand sich als Modernisierer und sah keinen Widerspruch darin, einerseits die alten Strukturen aufzubrechen und
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