Das Prinzip Uli Hoeneß
körperlichen Verfassung abhängig ist, der braucht länger als ein Spieler, der vielleicht mehr von der Technik lebt.« Hoeneß selbst sollte Jahre später zugeben: »Ich habe damals drei Jahre lang nicht mehr ohne Schmerzen trainieren und spielen können. Das war eine furchtbare Zeit.«
Im September 1978 hoffte er freilich noch auf eine Genesung und versuchte, sich bei anderen Vereinen ins Gespräch zu bringen. Tatsächlich zeigte sich der HSV-Manager Günter Netzer bereit, einen Blitztransfer des Münchner Edelreservisten für ein Jahresgehalt von 200.000 DM nach Hamburg zu arrangieren. Der wechselwillige Hoeneß absolvierte ein Probetraining – und war dann wie vor den Kopf gestoßen, als Netzer vor Unterzeichnung des Vertrages eine Arthroskopie des lädierten Knies forderte. In der Boulevardpresse war kolportiert worden, dass Hoeneß seine über eine Summe von 1,5 Mio. DM abgeschlossene Sportinvaliditäts-Versicherung nicht mehr hatte verlängern können, und das hatte den HSV wohl skeptisch werden lassen. Der HSV-Arzt Dr. Mann, ein Spezialist in Sachen Kniespiegelung, begründete, dass diese Untersuchung »die beste Aussagekraft in unklaren Fällen« habe und zudem nur eine Routinesache sei. Uli Hoeneß jedoch war empört, lehnte den Eingriff aus Angst vor einer weiteren Schädigung seines Knies ab und flog wieder zurück nach München. Über die eigentlichen Hintergründe von Netzers Forderung wurde später in Hamburg hinter vorgehaltener Hand geflüstert: HSV-Trainer Zebec habe bereits nach wenigen Minuten im Probetraining gesehen, dass mit Hoeneß nichts mehr los sei.
Präsident Neudecker nahm den bereits verloren geglaubten Sohn wieder auf, und alles schien ins Reine zu kommen, als der knorrige Trainer Lorant sich ganz offensichtlich willens zeigte, an dem ehemaligen Weltklassestürmer festzuhalten. Vor einem Auftritt im »Aktuellen Sportstudio« am 23. September, bei dem er zu der Sache mit der Arthroskopie Stellung nehmen wollte, äußerte Hoeneß über Lorant: »In einem langen Gespräch heute Morgen hat er mir zugesichert, alles zu tun, um mir eine neue Chance zu geben.« Noch am Nachmittag desselben Tages hatte sich gezeigt, dass es durchaus angebracht sein könnte, es noch einmal mit dem Stürmer Hoeneß zu versuchen: Da waren die Bayern nämlich im Olympiastadion sensationell mit 4:5 in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den Zweitligisten VfL Osnabrück ausgeschieden. Der erst in der 85. Minute eingewechselte Hoeneß hatte das Verhängnis zwar nicht mehr abwenden können, aber vielleicht wäre ja alles anders gekommen, wenn er von Beginn an hätte mitwirken dürfen. Kurz vor der Sendung freute er sich in den Kulissen des Studios, nun endlich vor laufenden Kameras die seiner Meinung nach völlig falschen Berichte in der Presse richtigstellen zu können. »Man müsste jeden Tag eine Fernsehsendung haben, um die Dinge zu korrigieren.« Hoeneß’ Abneigung gegen die angeblich von Lügen und Verfälschungen durchsetzten Printmedien trat hier zum ersten Mal deutlich zutage.
Vor den Kameras des ZDF legte er einen großen Auftritt hin. Wie ein Anwalt beim Plädoyer präsentierte er ein monströses Arthroskop und erläuterte: »Es kann A) Infektionen geben, B) es kann dabei das Knie beschädigt werden, und drittens – und das ist mir das Entscheidende –, jeder Arzt sagt: In ein solches Knie, das nach Auskunft auch von Dr. Mann vom HSV reizfrei ist, so etwas zu machen, ist unverantwortlich. Und in München gibt es einen Arzt, der spricht sogar von einem Kunstfehler. Und jetzt frage ich den Herrn Netzer: Wenn er zu mir sagt, er sei tief enttäuscht von mir, dann kann ich ihm dazu nur antworten: Im Moment ist nur er enttäuscht. Wenn irgendetwas passiert wäre, dann wäre meine Familie enttäuscht worden. Ich muss fragen, was ist wichtiger. Und wenn im Fußball solche Dinge sich durchsetzen, und der Günter Netzer sagt, als Profi muss der Uli das mit sich machen lassen, dann kann ich nur eine Antwort geben: Dann möchte ich kein Profi mehr sein, und dann höre ich auf mit dem Fußballspielen.« Es war ein für damalige Medienverhältnisse sehr ungewöhnlicher Auftritt, in dem Hoeneß sich einmal mehr als der herausragende Vertreter einer Fußballergeneration präsentierte, die mündig geworden war.
Die Hintergründe der Geschichte mit der Arthroskopie also konnte Uli Hoeneß richtigstellen. Mit Lorant aber klärte sich nichts. Hoeneß saß weiterhin auf der Bank. Am 21. Oktober kam es beim Spiel
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