Das Programm
Chris hatte Recht, was sie und Eric anging. Den Kampf zwischen Kopf und Herz hatte der Kopf verloren. Sie, die so stolz auf ihre Selbstbeherrschung war und sich was auf ihre Fähigkeit zugute hielt, auch die kompliziertesten Probleme leidenschaftslos zu analysieren, wollte Eric sehen, nein, musste Eric sehen. Sie wusste, es würde nichts bringen. Es war sinnlos. Aber es musste sein. Sie würde sich nie verzeihen, wenn sie jetzt nicht herauszufinden versuchte, ob sich noch einmal etwas zwischen ihnen entwickeln könnte. Sie wusste, dass sie nie aufgehört hatte, ihn zu lieben, als sie sich getrennt hatten. Hundertmal hatte sie sich gesagt, sie sei drüber hinweg, aber es stimmte einfach nicht. Jetzt war sie bereit, es sich einzugestehen und zu schauen, was geschah. Die Aussicht machte ihr Angst, schließlich musste sie damit rechnen, zurückgewiesen zu werden, aber sie war auch voller Erwartung. Wenn sie an den Sonntagnachmittag mit ihm zurückdachte, dann wusste sie, dass er noch etwas für sie empfand. Es musste eine Chance geben.
All das hatte Chris erraten, deshalb war sie so wütend auf ihn geworden. Sie hatte geleugnet, was er deutlich erkannt hatte, und sie war ihm gegenüber unfair gewesen. Sie mochte ihn, mochte ihn sehr und wollte ihn nicht verletzen, aber sie hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Bis vor einer Woche hatte sie nicht an Schicksal geglaubt. Jetzt hatte sie das Gefühl, das Schicksal hätte von ihrem Leben Besitz ergriffen und sie könne nichts anderes tun, als es geschehen zu lassen.
In einem Punkt war sie sich jedoch sicher: Chris irrte sich, wenn er annahm, Eric habe alle diese Menschen umgebracht. Sie kannte Eric und sie wusste, dass er so etwas niemals tun würde. Duncan und Ian misstraute sie, und sie war sich sicher gewesen, dass der eine oder der andere für die Morde verantwortlich sein musste. Die Eifersucht machte Chris blind für das, was so klar auf der Hand lag.
Sie wandte sich vom Fenster ab und begann an ihren Aufzeichnungen zu arbeiten. Das gab sie jedoch bald auf. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Also holte sie einen alten, mit vielen Eselsohren versehenen Gedichtband von Emily Dickinson heraus, den Eric ihr geschenkt hatte, als sie aufs College gingen. Die Vertrautheit der Gedichte tröstete sie ein wenig, wie alte Freunde, mit ihren unverwechselbaren, unveränderlichen, zuverlässigen Rhythmen.
Das Telefon klingelte. Sie nahm den Hörer ab.
»Hallo.«
»Megan?«
Wie ein Stromstoß durchfuhr sie die freudige Erregung, als sie die Stimme erkannte. »Eric.«
»Wie geht es dir?«
»Nicht besonders, wenn ich ehrlich bin.«
»Hast du von Ian gehört?«
»Ja. Ich kann es einfach nicht glauben. Noch einer.«
»Ja. Ich rufe an, weil ich mir Sorgen um dich mache.«
»Ja?«
»Ja. Ich meine, ich habe keine Ahnung, wer Ian umgebracht hat, aber nach unserem Gespräch am Sonntag wollte ich mich nur davon überzeugen, dass du wohlauf bist.«
»Ich bin okay. Keine Irren mehr, die durch mein Schlafzimmer schleichen.«
»Gut. Ich mach mir Sorgen, dass der Typ, der dich Samstagnacht bedroht hat, egal, wer es ist, irgendwann ernst macht. Tu nichts, was ihn provozieren könnte, okay?«
»Mach dir keine Sorgen. Das hab ich nicht vor. Ich möchte die ganze Sache einfach vergessen.«
»Das ist wohl leichter gesagt als getan. Was ist mit Chris?«
Megan konnte es nicht über sich bringen, Eric von Chris’ lächerlichem Verdacht ihm gegenüber zu erzählen. Zumindest nicht am Telefon. Daher drückte sie sich ganz allgemein aus. »Ich glaube, er hat beschlossen, zur Polizei zu gehen und zu erzählen, was er weiß.«
»Ist das nicht gefährlich?«, sagte Eric. »Ich meine, es ist seine Sache, wenn er das Risiko eingeht. Er muss wissen, was er tut. Aber das Messer hat auf deinem Kopfkissen gelegen.«
»Sein Entschluss scheint festzustehen.« Megan seufzte. »Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Von wo rufst du an?«, fragte sie.
»London. Ich habe den ganzen Tag Besprechungen.«
Megans Herz tat einen kleinen Sprung. »Ich nehme nicht an, dass du viel Freizeit hast, während du hier bist? Es ist nur … es wäre schön, dich zu sehen, wenn du es einrichten kannst.«
»Sicher«, sagte Eric. »Es wäre sehr schön. Warte einen Augenblick, ich schau mal in meinen Terminkalender.« Megan wartete. Sie hatte solche Sehnsucht nach ihm. Sie musste ihn einfach sehen. »Ja, okay. Ich kann morgen A bend nach Cambridge kommen, wenn es dir
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