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Das Prometheus Projekt

Das Prometheus Projekt

Titel: Das Prometheus Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker C Dützer
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Gesichter Zufriedenheit aus.
    Natürlich gab es Strom und fließendes Wasser, sie benutzten ebenso Traktoren und Maschinen für die Landarbeit wie ihre Kollegen im Rest der Welt. Aber sie unterwarfen sich freiwillig gewissen Beschränkungen. Es gab nur ein einziges Telefon am Empfang unten in der Halle. Radio und Fernsehen waren ebenso verpönt wie Computer und Internet. Einen Fernseher gab es nur im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss. Miriam kannte all diese wundersamen Dinge nur vom Hörensagen und den Erzählungen der Neuzugänge. Und diese Berichte waren naturgemäß stets von ihrer persönlichen Abneigung gegen die Außenwelt geprägt.
    Je mehr Josua ihr erzählt hatte, desto klarer wuchs in Miriam die Überzeugung, dass es ein Verbrechen war, den Kindern, die hier mit ihren Eltern aufwuchsen, die Errungenschaften der Zivilisation zu verwehren, sie von der Entwicklung der Welt abzuschneiden, gleichgültig, wie schlecht diese Entwicklung sein mochte. Sie beraubten sie ihrer Entscheidung, eine Wahl zu treffen.
    Josua! Wohin war er verschwunden?
    „Hast du Josua gesehen?“, fragte sie beiläufig die anderen.
    „Wo ist Josua?“
    „Ich vermisse Josua!“ Als Antwort erhielt sie nur Schulterzucken und Schweigen.
    Miriam betrat den Speisesaal und setzte sich neben Melanie. Ihre Freundin fühlte sich wohl in diesen Mauern und teilte Miriams Sehnsucht nicht. Miriam merkte plötzlich, wie hungrig sie war und nahm sich eine Scheibe Brot.
    „Lernst du es denn nie?“, zischte Melanie. „Erst wird gebetet.“
    Miriam legte die Brotscheibe zurück. In diesem Moment beschloss sie, dass sich etwas ändern musste. Sie hielt es nicht mehr aus.
    „Hast du Josua gesehen?“, fragte sie.
    „Hör auf, nach ihm zu fragen“, antwortete Melanie.
    „Warum?“
    „Josua Kazaan hat uns verlassen“, sagte die Stimme neben ihr. Sie gehörte einem Mann, der erst vor kurzem der Sekte beigetreten war. Miriam kannte seinen Namen nicht.
    „Das glaube ich nicht“, platzte Miriam heraus.
    „Es ist aber so. Er lehnt unsere Art zu leben ab, also wollen wir uns nicht weiter mit ihm beschäftigen.“
    Miriam senkte den Kopf. Ihre Gedanken rasten. Es konnte nicht stimmen. Josua wäre nicht ohne sie fort gegangen! Niemals!
    Erst als das Gebet beendet war, wurde ihr klar, was das bedeutete: Zusammen mit Josua hätte sie sich getraut, die Sekte zu verlassen. Josua kannte sich aus in der Welt. Aber Miriam wusste gar nichts. Sie wusste noch nicht einmal, ob sie einen Pass besaß. Sie hatte keinen Beruf gelernt und wusste nicht, was in der Welt vorging. Sie konnte noch nicht einmal so ein Händi-Dings bedienen. Wie sollte sie ohne Josua dort draußen überleben?
    Wie betäubt zwang Miriam das Essen in sich hinein. Selbst den verhassten labberigen Schokoladenpudding aß sie, ohne etwaszu schmecken. Sie hatte nur einen einzigen Gedanken: Josua ist fort.
    Miriam kehrte in die Wirklichkeit zurück, als Melanie ihr den Ellenbogen in die Seite stieß. „Hilf mir das Geschirr abräumen.“
    Miriam stand auf wie ein Roboter und sammelte die schmutzigen Teller und Tassen, Gläser und Bestecke ein. All ihre hoffnungsvollen Pläne waren von einem Moment zum anderen zerstört worden.
    Melanie stellte neben ihr einen Stapel schmutzige Teller ab. „Frag mich nie wieder nach Josua“, flüsterte sie.
    „Aber warum? Wo steckt er? Was ist passiert?“
    Melanie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Und du solltest es besser auch nicht wissen. Der Täufer sieht es nicht gerne, wenn jemand nach ihm fragt. Er ist bereits auf dich aufmerksam geworden!“
    „Na und?“ Miriam stemmte die Hände in die Seiten. „Ich bin schließlich nicht seine Gefangene“, sagte sie so laut, dass es alle hörten, die noch im Saal waren. Mehrere Köpfe drehten sich zu ihnen um.
    „Nicht so laut“, zischte Miriam. „Was ist nur in dich gefahren? Willst du wirklich Josua hinterher laufen? Wir haben es doch gut hier.“
    Miriams Zorn kochte plötzlich über. Diese dummfröhliche Ergebenheit machte sie rasend.
    „Wenn man damit zufrieden ist, mit den Knien auf dem Boden herumzurutschen und zu beten, dann hast du Recht!“
    Wütend knallte sie das Tablett auf die Durchreiche. Melanie schaute sie erschrocken an und stürmte beleidigt aus dem Saal. Miriam bereute ihre Worte nicht, denn sie hatten nichtMelanie gegolten. Sie war ein Opfer wie sie selbst, ein Opfer ihrer Eltern, die sich in religiösen Wahnvorstellungen verloren hatten und ihr Kind diesen Seelenfängern

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