Das Prometheus Projekt
„Wenn du das glaubst, bist du nochnaiver, als ich dachte.“
„Ist dir unsere Freundschaft so wenig wert? Was haben sie mit dir gemacht, um dich in ein solches Schwein zu verwandeln?“
Janson stieß eine Rauchwolke aus. „Du weißt ja nicht, mit wem du es zu tun hast!“
„Dann erklär’s mir!“
„Verena Nowak kokst“, begann Janson. „Als ich das herausfand, war ich schockiert und stellte sie zur Rede. Sie sprach davon, dass sie ihre Sucht im Griff hatte – wie alle Abhängigen. Aber es wurde immer schlimmer mit ihr. Sie brauchte immer mehr Geld für den Stoff; Kokain, Amphetamine, Extasy, das ganze Partyzeug eben. Nowak schuftete bis zum Umfallen, weil er Angst hatte, sie würde ihn verlassen.“
Janson schüttelte den Kopf. „Das hätte sie über kurz oder lang sowieso getan.“ Er ging ein paar Schritte schweigend.
„Ich habe ihr das Zeug dann besorgt. Du weißt, für einen Arzt ist das kein Problem, für den Chefarzt einer Klinik schon gar nicht. Ich dachte, ich könnte sie langsam von der Sucht wegführen; ein Irrtum, wie sich herausstellte.“
„Du bist ein Idiot, Ulrich. Renate ist eine wunderbare Frau!“
Janson lachte tonlos. „Ja, ich weiß. Aber Verena Nowak reizte mich. Es passierte auf der Weihnachtsparty des Golfclubs vor drei Jahren. Renate fühlte sich nicht wohl, sie hatte sich einen Virus eingefangen. Also bat sie mich, alleine zu gehen. Irgendwann nach Mitternacht artete die Party aus. Ich war nicht mehr ganz nüchtern, und Verena auch nicht.“ Er blieb stehen und blickte auf die Lichtreflexe des schwarzen Wassers. „Sie kam verdammt schnell zur Sache. DieseFrau hat eine sexuelle Energie, die dich umhaut! Es war der Kitzel des Verbotenen. Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt, weil sich eine schöne junge Frau für mich interessierte. Mein Gott, diese endlos langen Beine, diese kehlige sexy Stimme.“ Er drehte sich zu Adrian um. „Diese Frau saugt dir das Hirn aus den Eiern!“
Adrian war erstaunt. Diesen Ulrich Janson kannte er nicht. „Ich bin nicht gekommen, um mir deine Bettgeschichten anzuhören“, sagte er.
Janson trat seine Zigarette aus. „Ich muss dir das erzählen. Es ist wichtig, damit du das Folgende verstehst.“
Adrian blickte über das Wasser zum Nordufer des Sees hinüber. „Du weißt, warum ich hier bin, also mach’s kurz, Ulrich!“
Sie nahmen ihre Wanderung wieder auf. „Es blieb nicht bei dem Kokain, dass ich ihr besorgte. Verena hat einen Hang dazu, das Geld aus dem Fenster zu werfen. Nichts ist ihr extravagant, kein Klunker teuer genug.“
„Das habe ich heute schon mal gehört.“
„Du warst bei Nowak?“ Jansons Stimme klang erschrocken.
„Ich habe ihn aus seinem eigenen Sarg rausgeholt. Sieht so aus, als wollte jemand einen Mitwisser loswerden.“ Er blickte Janson in die Augen und fand nackte Angst darin. „Aber du brauchst dir ja keine Gedanken zu machen, Ulrich. Du hast ja mit der Sache nichts zu tun, nicht wahr?“
Janson ging nicht auf die Frage ein. „Sie fing an, mit dem Zeug zu dealen.“
Verena Nowak wollte immer größere Mengen in immer kürzerer Zeit. Janson drohte ihr, sie würde nichts mehr bekommen, wenn sie nicht mit dem Dealen aufhörte. Aber er stecktebereits viel zu tief in der Sache mit drin.
„Sie drohte mir, Renate von unserer Affäre zu erzählen. Du kannst dir vorstellen, dass ich meinen Chefarztposten verloren hätte, wenn alles herausgekommen wäre.“
„Nicht nur das“, pflichtete Adrian ihm bei. „Was hast du getan?“
Janson seufzte. „Gar nichts. Ich ließ es eine Weile so weiterlaufen, obwohl mir klar war, dass es nicht mehr lange gut gehen würde. Ich konnte die Drogen in so großen Mengen nicht mehr unbemerkt besorgen. Du weißt ja, dass wir ein Projekt an der Klinik laufen lassen. Es gibt harte Fälle, in denen wir eine kontrollierte Abgabe von Kokain und Heroin befürworten. Verenas Eigenbedarf zu decken fiel nicht weiter auf. Aber sie bekam den Hals nicht voll. Es begann aus dem Ruder zu laufen. Und dann tauchte dieser Mann auf.“
„Prometheus“, sagte Adrian.
Janson schien in sich zusammenzusacken. „Du kennst ihn?“
Adrian schüttelte den Kopf. „Ich kenne seinen Decknamen und ich habe einen Verdacht.“
Janson blieb stehen und kickte mit dem Schuh einen Stein ins Wasser, der platschend im See versank. „Adrian, halt dich da raus. Du weißt nicht, wozu diese Leute fähig sind!“
Adrian dachte an den Morgen im Wald; an drei tote Männer mit Pfeilen in der Brust.
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