Das Prometheus Projekt
nicht“, antwortete Miriam trotzig.
Gideon blickte sie mit seinen kalten Augen an. „Versau’s nicht. Ich war sowieso dagegen, dich mitzunehmen.“
„Weil ich eine Frau bin.“
„Ja. Die Frau ist seit Anbeginn der Zeit anfällig für das Böse.“
Miriam blickte aus dem Seitenfenster und atmete langsam aus. Lieber Gott, warum hast Du Gideon so blöd gemacht?, dachte sie. Diesen Klotz zum Mann nehmen? Zu dem unruhigen Brodeln in ihrem Bauch gesellte sich heißer Zorn. Gideon war groß, stark und entsetzlich dumm. Aber gerade weil er so beschränkt war, durfte sie ihn nicht reizen.
Gideon parkte den Wagen zweihundert Meter vor dem ultramodernen Fachwerkhaus aus schwarz gebeiztem Holz, großen Glasflächen und weißen Putz.
„Fühlst du es?“, fragte Gideon feierlich. Miriam sah ihn verständnislosan.
„Das Böse wohnt in dem Haus. Seine Präsenz strahlt wie ein Dämonenauge!“
Miriam öffnete die Wagentür. Sie spürte überhaupt nichts. Nicht zum ersten Mal in letzter Zeit fragte sie sich, ob es überhaupt etwas zu fühlen gab. Josua hatte Recht gehabt.
„Wenn du das nicht durchstehst, will ich das jetzt wissen und nicht erst, wenn wir im Haus sind“, sagte Gideon. „Wir haben eine heilige Aufgabe zu erfüllen und das kann gefährlich werden.“
„Ich bin in Ordnung“, antwortete Miriam. Sie redete sich ein, dass sie es für Josua tat. Nur für Josua. Sie stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu.
„Wenn wir erst Mann und Frau sind, wirst du dir bessere Manieren aneignen müssen“, sagte Gideon. Miriam hörte ihm nicht zu. Wenn sie nur gewusst hätte, was genau ihre Aufgabe war. Gideon hatte davon geredet, dass dieser Doktor Hussek an einer Intrige des Satans beteiligt war und es ihre heilige Pflicht war, weiteres Unheil zu verhindern. Die Saat des Bösen drohte aufzugehen, wenn Hussek Erfolg hatte. Der Täufer hatte darauf bestanden, dass Gideon sie mitnahm und er hatte sich murrend gefügt. Miriam hatte sich weigern wollen, mit Gideon zu gehen. Aber ihr Trotz hätte dem Argwohn des Täufers neue Nahrung gegeben, also versuchte sie, das Spiel mitzuspielen, bis sie den Mut fand, der Sekte den Rücken zu kehren.
Gideon holte eine schwarze Segeltuchtasche mit Werkzeug aus dem Kofferraum: Ein handtellergroßer Saugnapf, ein Glasschneider, eine Rolle Gewebeklebeband, eine Taschenlampe und ein elektronisches Gerät von der Größe eines Mobiltelefons; dazu einen Lappen, ein Nylonseil und eine dunkelbraune Glasflasche mit Chloroform. Alles andere würde er im Haus vorfinden. Er warf einen Blick in die Tasche, brummte zufrieden und bedeutete Miriam, ihm zu folgen.
Sie umgingen das von einer mannshohen Tujahecke umgebene Grundstück und näherten sich dem Haus von der Terrassenseite her. Dabei brauchten sie keine besondere Vorsicht walten zu lassen, denn nach ihren Informationen war das Haus leer. Alfred Husseks Maschine war erst vor einer knappen Stunde auf dem Flughafen in Köln gelandet. Der Computerwissenschaftler würde noch dreißig Minuten unterwegs sein, bevor er eintraf. Sie hatten genug Zeit, um ins Haus zu gelangen und sich vorzubereiten.
Gideon ging vor der Terrassentür in die Knie. Er knipste die Taschenlampe an und suchte nach Drähten, Sensoren und anderen Alarmeinrichtungen, aber er konnte nichts dergleichen entdecken. Dann gab er Miriam die Lampe. Sie schaute mit wachsender Unruhe zu, wie Gideon den Saugnapf an der Glasscheibe in der Nähe des Griffs befestigte und mit dem Glasschneider einen kreisrunden Schnitt machte. Der Diamant erzeugte ein leise kratzendes Geräusch.
Was sie hier taten, war verboten. Miriam wurde entsetzlich klar, dass der Täufer jegliches Wissen über diese Aktion leugnen würde, wenn man sie erwischte.
Sie schaute sich mit wild schlagendem Herzen um. Durch die Tujahecke konnten sie von der Straße aus nicht gesehen werden und das Nachbargrundstück war mit einer Wand aus Betonsteinen abgegrenzt, in denen Herbstblumen und Efeu wuchsen. Trotzdem war sie wachsam. Es war ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Gideon in Ruhe arbeiten konnte und niemandsie störte.
Miriam hatte eine Höllenangst davor, entdeckt zu werden. Bei dem Gedanken daran, auf einem Polizeirevier verhört zu werden, brach ihr kalter Schweiß aus. Sie schloss die Augen und wiederholte eines der zahllosen Gebete, die sie ihr eingetrichtert hatten. Obwohl Gebete ihr seit geraumer Zeit seltsam gleichgültig geworden waren, ratterte sie jetzt stumm das Ave Maria herunter, und das aus einem
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