Das Prometheus Projekt
über Adrians Arm, so wie sie es vorhin schon getan hatte. Offenbar löste die Berührung eine Erinnerung in ihr aus.
„Iiiiiiiiiiif“, sagte sie wieder. Diesmal fiel es ihr schon leichter.
Plötzlich kam Adrian ein Gedanke. Vorsichtig schob er den rechten Ärmel des OP-Hemdes nach oben. Es irritierte ihn, dass sie ihn die ganze Zeit über anblickte, aber sie schien nichts gegen seine Berührung zu haben. Im Gegenteil, sie verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln, so wie alle ihre Bewegungen und Gesten zaghaft und langsam waren, als müsse sie erst lernen, ihre Gliedmaßen zu gebrauchen. Ein Kind! Ja, sie wirkte auf ihn wie ein Kind, das die Welt entdeckt!
An ihrem Oberarm, dicht unter der Schulter, fand er die Tätowierung: EVE 1.0.
„Eve? Das ist dein Name, nicht wahr? Du heißt Eve!“
„Iiiiiiiiiiiif“, sagte sie und lächelte glücklich. Adrians Gedanken rasten.
Was geschah hier?
„Okay, Eve. Ich muss dich jetzt untersuchen. Vielleicht bist du verletzt. Verstehst du das?“
Sie lächelte, ohne zu begreifen.
„Wir gehen jetzt hinüber in den anderen Raum. Ich muss dichröntgen. Keine Angst, es tut nicht weh. Du wirst gar nichts davon spüren.“
Adrian wartete keine Antwort ab. Er legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie in den Untersuchungsraum.
„Setz dich auf den Hocker!“
Als sie nicht reagierte, drückte er leicht ihre Schulter. Sie ließ es geschehen und setzte sich. Ihr ständiges Lächeln brachte ihn vollkommen durcheinander.
Adrian begann den Röntgenapparat vorzubereiten und legte eine Bildplatte ein. Als er den Aufnahmearm dicht an ihren Kopf heranführte, wurde sie unruhig.
„Es tut nicht weh“, sagte er, als rede er mit einem Kind. „Ich mache nur ein Foto von deinem Kopf.“
Sie wich entsetzt vor ihm zurück. Ihre Augen suchten nach einem Fluchtweg. Adrian bot ihr seine Hand und nickte ihr aufmunternd zu. „Eve? Du heißt doch Eve, nicht wahr? Ich werde dich Eve nennen. Ich tue dir nichts. Ich will dir helfen.“
Sie wich weiter vor ihm zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Verängstigt hob sie schützend die Arme vor den Körper. Ihr Mund öffnete und schloss sich verzweifelt, aber sie brachte keine Worte hervor.
Adrian wagte nicht, sich ihr zu nähern. Er hatte keine Ahnung, welche Reaktion das bei ihr auslösen würde. Schließlich setzte er sich selbst auf den Hocker und postierte das Aufnahmegerät dicht vor seinem Kopf. „Siehst du? Es passiert überhaupt nichts. Es tut nicht weh.“
Eve beobachtete ihn ängstlich. Die Tür zur Praxis öffnete sich einen Spalt und Jack steckte seine Schnauze herein. Er schob die Tür auf und trottete auf Eve zu. Sie kauerte sich nebenden Hund und begann ihn zu streicheln. Das Tier schien sie zu beruhigen.
„Er heißt Jack“, sagte Adrian. „Er ist ein guter Hund, Magst du Hunde?“
Sie schlang die Arme um Jack und vergrub das Gesicht in seinem Fell. Adrian griff nach ihrer Hand und zog sie sanft hoch. „Komm. Jack wird auf dich aufpassen!“
Sie setzte sich wieder auf den Hocker. Jack wich nicht von ihrer Seite.
„Okay, Eve. Bleib einen Moment still sitzen.“ Er konnte ihr das nicht klar machen und hoffte, dass sie einen Augenblick still hielt.
Als er ihr eine Bleischürze umlegte, wurde sie wieder unruhig. Mühsam gelang es Adrian, sie zu überreden. Dann verschwand er im Nebenraum und drückte auf den Auslöser. Er hatte nur diese eine Bildplatte. Die Aufnahme musste nicht perfekt sein, aber wenn sie sich bewegt hatte, konnte er nachher rein gar nichts erkennen. Nun musste er noch warten, bis die Platte entwickelt war.
Als er zurückkam, kauerte Eve frierend und angsterfüllt auf dem Hocker.
„Dir ist kalt, nicht wahr? Und Hunger hast du sicher auch. Mal schauen, ob wir dir helfen können.“
Er nahm ihre Hand und führte sie nach oben ins Schlafzimmer. In der Hoffnung, dass sie begriff, öffnete er den Kleiderschrank und zeigte ihr Christinas Sachen.
„Such dir was aus“, ermunterte er sie. „Ich bin sicher, die Sachen passen dir.“
Was tat er da?
Eve trat an den Schrank und ließ ihre Finger neugierig überdie Kleider, Hosen und Blusen wandern. Zumindest in diesem Punkt war sie wie andere Frauen auch.
Adrian zog sich langsam zurück und schloss die Tür hinter sich.
Was zum Teufel machte er da?
Nach und nach kehrte seine Fähigkeit zurück, die Situation zu analysieren. Wie weit wollte er dieses Spiel treiben? Er konnte die Frau nicht hier behalten. Das war unmöglich
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