Das Prometheus Projekt
machen?“
Sehner setzte sich. „Ich ermittle in einer Mordserie.“
Der Täufer riss entsetzt die Augen auf. „Und da kommen Sie zu uns? Wir werden Ihnen nicht weiterhelfen können, denn Gewaltist uns fremd.“
„Das wird sich zeigen“, erwiderte Sehner.
Der Täufer faltete die Hände vor sich auf der Tischplatte. „Sehen Sie, Herr Sehner, unsere kleine Gemeinschaft lebt sehr zurückgezogen. Wir wünschen keinen Kontakt zu der lauten und hektischen Welt dort draußen. Ich kann mir nicht vorstellen, welche Spur Sie zu uns geführt haben könnte.“
Sehner griff in seine Jackentasche und holte die Werbeschrift hervor, die er im Schreibtisch von Wildenberg gefunden hatte.
„Diese Spur“, sagte er und warf die Broschüre auf den Tisch.
Der Sektenführer betrachtete sie einen Moment. „In der Tat, das ist eines unserer Informationsblätter.“
„Sagten Sie nicht gerade, Sie pflegen keinen Kontakt zur Außenwelt?“
„Nun“, antwortete der Täufer lächelnd, „natürlich ist eine unserer Aufgaben, zu missionieren, die Menschen vom rechten Weg zu überzeugen. Und dazu müssen wir uns sozusagen ab und zu in die Höhle des Löwen begeben.“
„Natürlich.“ Sehner nickte und schluckte eine giftige Bemerkung hinunter. „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Pfarrer Wildenberg?“
Der Täufer spitzte die Lippen. „Pfarrer Wildenberg ist uns sehr zugetan.“
„Geht das ein bisschen präziser?“
„Nun, man könnte sagen, er fühlt sich in der Katholischen Kirche nicht mehr heimisch. Er spielt mit dem Gedanken, in unserer Institution künftig als Lehrer für Religion und Philosophiezu arbeiten. Darf ich fragen, was Herr Wildenberg mit Ihren Ermittlungen zu tun hat?“
Sehner studierte die undurchdringliche Miene des Mannes. Hinter seinem zurückhaltend - frommen Gebaren lauerte ein eiskalt berechnender Verstand.
„Wildenberg ist eines der Opfer. Es erstaunt mich, dass Sie noch nicht darüber informiert sind!“
Für den Bruchteil einer Sekunde verlor der Täufer die Fassung. Sehner, der es gewohnt war, Menschen zu beobachten, blieb die Bestürzung nicht verborgen. Der Sektenführer wusste offenbar wirklich nichts vom Tod des Pfarrers. Er schoss seine nächste Frage ab: „Was wollten Sie in Wildenbergs Kommunionsunterricht?“
Der Täufer hatte sich blitzschnell wieder unter Kontrolle und lächelte schmal. „Ich verstehe Ihre Frage nicht. Ich war niemals zugegen, wenn Pfarrer Wildenberg die Kinder unterrichtete.“
„Aber zwei Ihrer Leute. Dafür gibt es mehrere Zeugen. Also, was wollten sie dort?“
„Ich will es mal mit sehr weltlichen Worten ausdrücken: Natürlich interessiert uns die Konkurrenz.“
„Ist es nicht eher so, dass Ihr Interesse den Kindern galt? Damit Sie über sie an die Eltern gelangen, um sie mit ein paar heiligen Sprüchen einzufangen?“
Der Täufer blickte ihn ausdruckslos an. Nur ein Nerv in seinem Augenwinkel zuckte. „Wir hatten nichts dergleichen vor.“
Sehner lehnte sich zurück. Seine Hand beschrieb einen Kreis. „Wer bezahlt das eigentlich alles? Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?“
„Wir finanzieren uns über eine Stiftung“, antwortete der Täufer. „Darüber hinaus benötigen wir nicht viel. Wir führen ein einfaches Leben.“ Er ließ seine Blicke durch den Raum schweifen. „Wie Sie sehen“, fügte er hinzu.
Er erhob sich und ging mit gefalteten Händen zum Fenster hinüber. „Die Welt hat vergessen, was Demut heißt. Sie empfindet keinen Gehorsam mehr gegenüber Gott.“ Er drehte sich in einer schnellen Bewegung um. „All Ihr technologischer Schnickschnack wird Sie am Ende der Zeiten nicht retten!“ In seinen Augen blitze es hell auf.
„Und ich wette, diese Zeit ist nahe“, brummte Sehner.
„In den Zweiflern steckt häufig wenig Demut.“
Sehner begann sich zu ärgern. Ihm entglitt die Kontrolle über das Gespräch. Er war nicht hier, um sich die ideologischen Traktate dieses Spinners anzuhören. Trotzdem reizte ihn die Arroganz des Täufers. „Demut oder eher Unterwerfung? Wenn es nach mir ginge, würde ich Ihre kleine Gehirnwaschzentrale noch heute auflösen. Oder wollen Sie bestreiten, dass sie die Menschen wie Karnickel in einem Drahtkäfig halten?“
Der Sektenführer blickte ihn unbeeindruckt an. Ein Lichtreflex blitzte auf den Gläsern seiner randlosen Brille auf. „Sie werden unsachlich, Herr Kommissar. Sie sollten sich nicht so viel auf die Macht ihres Polizeiapparates einbilden. Sie können die Seelen der
Weitere Kostenlose Bücher