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Das Prometheus Projekt

Das Prometheus Projekt

Titel: Das Prometheus Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker C Dützer
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Sehner zunächst angenommen hatte.
    „Sagen Sie, hat dieser Täufer auch einen Namen?“, fragte er beiläufig.
    Sie blieb stehen und drehte sich erstaunt um, als hätte er eine Obszönität von sich gegeben. „Johannes natürlich. Er ist ein direkter Nachfahre von Johannes dem Täufer.“ Sie schlug flink das Kreuzzeichen und lief weiter.
    Sie stiegen zwei weitere Treppenfluchten empor. Am Ende eines endlosen Ganges klopfte die Frau an eine Tür und verschwand in dem Raum dahinter. Sehner blieb zurück und kam sich vor wie ein Bittsteller im Vatikan, der auf einen Termin bei Seiner Heiligkeit wartete. Er wanderte den Korridor auf und ab und betrachtete die Holzschnitte an den Wänden. Alle Bilder zeigten auf die eine oder andere Weise gequälte, leidende Menschen. Sehner vermutete, dass sie der Einschüchterung derjenigen dienten, die sich hier auf ein Gespräch mit dem Täufer vorbereiteten.
    Nach endlosen Minuten öffnete sich lautlos die Tür und die Frau im grauen Kleid erschien wieder. „Der Täufer wird Sie jetzt empfangen“, sagte sie.
    Sehner riss sich von den Folterszenen los und stürmte mit ausgreifenden Schritten auf die Tür zu. Er war fest entschlossen, sich von dem psychoreligiösen Getue dieser Hinterwaldsekte nicht vereinnahmen zu lassen.
    Das Zimmer des Täufers war nicht so groß oder gar pompös, wieSehner das vielleicht erwartet hatte. Im Gegenteil, der Raum strahlte Nüchternheit und Entsagung aus und war geradezu karg möbliert. Die ehemals weißen Wände waren vergilbt, vermutlich waren sie vor vielen Jahren zum letzten Mal gestrichen worden. Außer einem Bücherregal und einem klobigen Schrank wurde der Raum von einem einzigen Möbelstück beherrscht: Einem mächtigen Schreibtisch, der fast so alt sein musste wie die Legende des Täufers selbst.
    Durch die beiden Fenster fiel diffuses Licht in den Raum und schien alle Farben aufzusaugen, so dass nur ein Gemisch aus Grautönen übrig blieb. An einem der Fenster stand ein schlanker, hoch aufgeschossener Mann. Sehner konnte sein Gesicht nicht erkennen, weil er ihm den Rücken zuwandte. Der Kommissar fühlte sich seltsam befangen, so als störe er einen heiligen Mann, der die Last der Welt auf seinen Schultern trägt, bei seiner Andacht. Wahrscheinlich gehörte das zum Repertoire seiner Psychotricks.
    Sehner räusperte sich und sagte: „Ich bin Kriminalhauptkommissar Sehner. Ich muss Ihnen zu laufenden Ermittlungen einige Fragen stellen.“
    „Schauen Sie, was dort draußen geschieht!“, antwortete der Täufer. Er hatte eine angenehme, sonore Stimme, die sich mühelos durchsetzte, obwohl er sehr leise gesprochen hatte. Trotzdem hatte Sehner das Gefühl, der Mann habe ihm die Worte ins Ohr geflüstert. Er ertappte sich dabei, wie er ans Fenster trat und hinaus blickte. Unter ihnen lag ein herbstlich gefärbter Garten. Der Winter kam dieses Jahr sehr früh, die Laubbäume verloren bereits ihre Blätter. Der Wind wehte ganze Wolken davon durch die kalte Luft.
    „Die Natur stirbt. Und doch ersteht sie wieder neu. Es istein Wunder“, sagte er Täufer.
    Sehner blinzelte und versuchte den Bann zu brechen. Er zückte seinen Ausweis und sagte:“ Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Wenn Sie meine Legitimation sehen wollen…“
    Der Sektenführer wandte sich ihm zu. „Ein Stück Plastik“, sagte er. „Was bedeutet das schon?“
    Er sah Sehner jetzt zum ersten Mal direkt an. Der Kommissar verstand schlagartig, warum dieser Mann andere Menschen um sich scharen konnte. Er besaß unbestreitbar ein faszinierendes Charisma. Sein schmales Gesicht wurde von einem dünnen weißen Bart umrahmt, er trug das ebenfalls schlohweiße Haar lang bis auf die Schultern. Seine Kleidung war ebenfalls weiß: Ein langes, einer Tunika ähnliches Hemd über weiten Leinenhosen. Doch am meisten beeindruckten Sehner seine Augen; dunkel, fast schwarz - wie zwei abgrundtiefe Brunnenschächte. Die randlose Brille verstärkte die Präsenz dieser Augen noch. Dieser Johannes war der geborene Menschenverführer. Und er erregte in Sehner sofort Widerwillen, der Mann war ihm zutiefst unsympathisch.
    „Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Dieses Stück Plastik kann Ihnen eine Menge Ärger machen!“, sagte er bissig.
    Der Täufer ging mit bedächtigen Schritten zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Mit einer sparsamen Handbewegung bot er Sehner ebenfalls einen Stuhl an.
    „Ist das der Grund Ihres Besuches?“, fragte er. „Sie wollen mir Ärger

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