Das Prometheus Projekt

verzweifelt, sein Bein zu befreien, verwickelte sich aber nur noch mehr in den Drahtschlingen. Mit einem erstickten Schrei warf er sich um den Felsvorsprung und zerrte an dem Stacheldraht, der sein Bein gefangen hielt.
    Adrian klatschte wie ein Stein in den See. Er stieß mit den Füßen hart in den sandigen Grund und spürte den Aufprall bis in seine Zähne hinein. Aber er brach sich nichts. Während er auftauchte, rollte der verzerrte Laut der Explosion dumpf über das Wasser. Das Echo hallte noch im Talkessel wider, als er die Oberfläche durchbrach. Einen Moment lang war er orientierungslos und drehte sich hilflos im Kreis. Dann sah er Phil und Matt am Fuß der Felsen stehen. Phil schrie wie verrückt und Matt begann nun ebenfalls, auf das Plateau zu klettern. Mike hatte seinen unförmigen Leib gerade auf den Felssims gewuchtet und übergab sich. Der Rand des Plateaus war blutgetränkt. Die Explosion hatte Brad den linken Fuß abgerissen.
     
    Adrian wischte sich über die Augen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Warum tauchte Brad Wilson ausgerechnet jetzt wieder auf? Wenn er diese Frage beantworten konnte, kam er dem Rätsel um Eve möglicherweise näher.
    Die Schlafzimmertür bewegte sich. Jack streckte winselnd seine Schnauze in den Türspalt. Adrian ging hinunter ins Erdgeschoss, öffnete eine Dose Hundefutter und gab Jack zu fressen. Dann duschte er und begann sich mit zitternden Händen zu rasieren. Als er sein hohlwangiges Gesicht mit den blutunterlaufenen Augen im Spiegel anstarrte, schämte er sich zutiefst. Dort draußen versteckte sich ein Mensch, der seine Hilfe brauchte. Ein Mensch, dem man alles genommen hatte, viel mehr, als Adrian verloren hatte: Seine Erinnerungen, sein Leben und sein Bewusstsein. Und dennoch hatte Eve ihm in bedingungsloser Offenheit vertraut – ihm, der sein Leben als wertlos betrachtete und im Begriff war, es wegzuwerfen.
    Adrian zog ein kariertes Baumwollhemd und saubere Jeans an. Nachdem er sein rebellierenden Magen dazu gezwungen hatte, ein Frühstück und eine halbe Kanne schwarzen Kaffees anzunehmen, fühlte er sich besser und sein Verstand begann rege zu arbeiten.
    Als Brad Wilson aus dem Wagen stieg und über den Hof humpelte, hätte Adrian seinen alten Feind trotz der vergangenen Jahre erkennen müssen. Aber er hatte Brad längst aus seinem Gedächtnis verbannt. Brad hingegen wusste offenbar genau, wen er vor sich hatte. Er hatte sich im Hintergrund gehalten, weil er nicht sicher war, ob Adrian ihn erkennen würde. Doch warum hatte Brad das Haus dann überhaupt betreten? Wollte er sich an Adrians Schreck weiden, wenn sie ihm Eve wegnahmen?
    Drei Jahre nach der Explosion in der Kiesgrube hatte er Brad Wilson aus den Augen verloren. Die einzige Verbindung zu ihm war Mike Vanderbilt. Der rothaarige Mike und Adrian waren zusammen auf die Highschool gegangen. Mike hatte in den ersten zwei Jahren noch immer losen Kontakt zu Brad Wilson gehabt, doch dann zog Brads Familie nach Washington. Sein Vater hatte dort einen hohen Posten beim Verteidigungsministerium angenommen. Von da an verlor sich Brads Spur.
    Der dicke Mike Vanderbilt hatte sich während der Highschoolzeit verändert. Er war in die Höhe geschossen und hatteeinen großen Teil seines Babyspecks verloren. Und mit Brads Abwesenheit verlor Mike auch seinen Status. Hier am College war er nicht mehr die rechte Hand des Schlägers Brad Wilson, sondern ein linkischer Junge ohne Chancen bei den Mädchen. Ihm fehlte das Selbstvertrauen, seine Schwierigkeiten alleine zu lösen und brauchte jemanden, der ihm zeigte, wo es lang ging. Mike Vanderbilt war der typische Mitläufer. Und so hatte sich Mike an den einzigen Menschen geklammert, den er kannte, an Adrian Sykes.
    Zwischen ihnen war nie eine echte Freundschaft entstanden, mehr eine Beziehung, in der beide voneinander profitierten. Adrian erinnerte sich an das hässliche Gerücht eines Diebstahls, das an ihm geklebt hatte. Es geschah während der Vorbereitungen zur Hundert-Jahr-Feier der Schule. Lehrer und Schüler gründeten ein Festkomitee und sammelten Geld für den Festakt. Das Geld verwahrte der Direktor, Jim Clarence, in einer Stahlkassette in seinem Schreibtisch. Drei Tage vor dem Fest betrat Clarence am Morgen sein Büro und stellte fest, dass sein Schreibtisch aufgebrochen worden war. Von der Kassette fehlte jede Spur.
    Es gab nur eine Handvoll Schüler, die von der Kassette in Clarences Schreibtisch wussten, und einer von ihnen war Adrian Sykes. Durch eine