Das Prometheus Projekt
des Sees zu. Der Ponton ragte weit ins Wasser hinein. Vielleicht schaffte er es, den Bagger zu erreichen und konnte von dort aus über die Felsen aus der Falle des Talkessels fliehen, bevor die anderen auf die Idee kamen, um den See herumzulaufen. Da hörte er schon Phils schnarrende Stimme. „Ja, gib’s ihm, Brad! Mach ihn fertig!“
Etwas sauste mit lautem Platschen in das Wasser. Der Junge drehte sich auf den Rücken und blickte zurück. Brad stand am Ufer des Sees, bückte sich und hob einen Kiesel von der Größe eines Golfballes auf. Er wog den Stein prüfend in der Hand und holte dann blitzschnell aus. Der Kiesel zischte dicht an Adrians Ohr vorbei und platschte ins Wasser neben ihm. Jetzt begannen auch Phil und die anderen begeistert nach ihm zu werfen. Der fette Mike sah dabei aus, als hätte er einen Dollar am Kirmesschießstand hingeblättert, um den großen Plüschteddy abzuschießen – und wenn es die ganze Nacht dauern sollte.
Adrian drehte sich um und schwamm um sein Leben. Brad war halb wahnsinnig vor Wut. Diesmal waren bei ihm alle Sicherungen durchgebrannt, und er war ein guter Werfer. Die Kiesel prasselten wie Hagelkörner auf das Wasser.
Nach wenigen Metern traf ein Stein den empfindlichen Knöchel seines Mittelfingers. Adrian schrie auf und schluckte einen Schwall Seewasser. Seine Hand tat höllisch weh, aber das Schlimmste war, dass sich ein taubes Gefühl in seinen Fingern ausbreitete und ihn beim Schwimmen behinderte.
Adrian holt tief Luft und tauchte unter. Rings um ihn sausten Kieselsteine wie Torpedos in das aufgewühlte Wasser. Kurz hintereinander trafen ihn zwei Steine schmerzhaft an Schulter und Nacken und schickten Schmerzwellen durch seinen Rücken. Er tauchte und schwamm ein Stück dicht unter der Oberfläche, streckte dann den Kopf wieder aus dem Wasser und schnappte hustend nach Luft. Mike feuerte Brad unentwegt mit seiner schrillen Stimme an.
Adrian schwamm einen Moment auf der Stelle , um sich zu orientieren. Der Ponton des Baggers war nur noch zwanzig Meter entfernt. Er musste schnellstens aus dem See heraus, denn wenn ihn einer der harten Kiesel am Kopf traf, war es vorbei. Adrian würde ohnmächtig werden und in dem verdammten Baggersee ertrinken. Und wenn die vier Jungen dicht hielten, würde niemand je erfahren, was wirklich geschehen war.
Adrian kraulte mit letzter Kraft auf ein Gewirr aus Treibholz zu, das am vorderen Teil des verlassenen Schwimmbaggers angeschwemmt worden war. Der heftige Sommersturm vor sechs Tagen hatte mehrere Äste einer Kiefer, die wie ein narbenbedeckter Riese am Waldrand stand, abgerissen und in den See geschleudert. Adrian tauchte und gelangte im Schutz des Treibholzes wieder an die Oberfläche. Nach Luft ringend klammerte er sich an den Ponton, bis sein Atem ruhiger ging. Durch die Zweige sah er, dass die vier Jungen sich jetzt aufteilten und um den See herum liefen, Mikes rotes Stoppelhaar leuchtete wie ein Streichholzkopf.
Adrian hatte keine Zeit zu verlieren. Seine Arme zitterten, als er versuchte, sich aus dem Wasser zu ziehen. Entsetzt stellte er fest, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, den See zu durchqueren. Er brauchte drei lange Versuche, bis er endlich erschöpft auf dem Deck des Baggers lag. Adrian stützte sich mit den Händen auf und zuckte zurück, als seine aufgescheuerten Handflächen das sonnenheiße Blech berührten.
Ein neuer Kieselregen prasselte auf ihn ein, Steinsplitter fetzten wie Gewehrfeuer um ihn herum und prallten scheppernd vom Blech ab. Er schrie wütend auf, als er schmerzhaft an Hüfte und Ellenbogen getroffen wurde.
Der Junge legte schützend die Arme um den Kopf und rannte den schmalen Laufsteg des Schwimmbaggers entlang. Am Ende des Stegs ragte das Gitterwerk des Auslegerarms schräg in den flimmernden Sommerhimmel. Adrian konnte klettern wie ein Waschbär, und diesen Vorteil musste er nutzen, wenn er lebend aus der Kiesgrube herauskommen wollte.
Der Auslegerarm zeigte wie ein riesiger Finger auf die terrassenförmig ansteigenden Felsen und endete dicht über einem kleinen Felsplateau in fünfzehn Metern Höhe. Von dort aus konnte man - wenn man Mut hatte und geschickt war – die Steilwand erklimmen und die Maisfelder erreichen, die zwischen der Kiesgrube und der Neubausiedlung lagen. Dort gab es genug Deckung und Verstecke, wo ihn Brad niemals finden würde.
Adrian schwang sich entschlossen auf das Netzwerk der Eisenstreben und begann auf allen Vieren über den schräg nach oben führenden
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