Das Prometheus Projekt
oben bis unten wie einen ihrer Patienten. „Ich denke, du bist genug bestraft.“
Adrian überhörte den versteckten Vorwurf und konzentrierte sich auf seine Frage. „Ich bitte dich nur, mir die Wahrheit zu sagen, es ist sehr wichtig für mich.“
„Was willst du wissen?“
„Hat Chrissy eine Zwillingsschwester?“
Angela war ehrlich überrascht. „Was soll diese Frage?“
Adrian schüttelte den Kopf. „Das kann ich dir nicht sagen, noch nicht.“
Angela stand auf und ging zu ihrem wuchtigen Schreibtisch hinüber. Sie suchte nach dem Feuerzeug und zündete sich eine Zigarette an. Als sie zu ihrem Platz zurückkehrte, wirkte sie aufrichtig besorgt.
„Adrian, ich möchte, dass du eins weißt: Ich trage dir nichts nach. Auch ich habe um Christina getrauert.“ Sie rauchteeinen Moment schweigend. „Wir alle suchen immer jemanden, dem wir die Schuld für alles Unglück aufbürden können. Aber das vergeht.“
Sie schaute ihm in die Augen. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich. Du kannst nicht dein restliches Leben in der Vergangenheit verbringen.“
Adrian rieb sich die Schläfen, seine Kopfschmerzen kehrten zurück. „Sag’s mir einfach.“
Angela lehnte sich zurück. „Wenn ein geliebter Mensch stirbt, kann es vorkommen, dass wir ihn so klar vor uns sehen, wie ich dich jetzt sehe. Aber was viele für Geistererscheinungen halten, ist nichts anderes als ein Streich, den uns unsere Psyche spielt. Wir wollen die Verstorbenen nicht loslassen. Unser Verstand weigert sich, das Unausweichliche zu akzeptieren.“
Adrian sprang auf. „Ich bin weder verrückt … noch betrunken.“ Er lief erregt vor der Glasfront auf und ab. Leise sagte er: „Vielleicht lebt Christina noch.“
„Das ist nicht dein Ernst, Adrian.“
Er wandte sich um. „Vielleicht irre ich mich, wahrscheinlich sogar. Hat Christina eine Zwillingsschwester?“
Angela drückte die halbgerauchte Zigarette aus. „Nein. Und das ist die Wahrheit. Warum sollte ich sie vor dir verbergen?“
„Ich weiß es nicht. In so mancher Familie gibt es dunkle Geheimnisse.“
Angela lachte. Es klang ehrlich amüsiert. „Es gibt kein Familiengeheimnis. Wir haben keine Leichen im Keller vergraben, Adrian.“
„Zeig mir das Stammbuch!“, sagte Adrian.
„Du brauchst Hilfe. Ich kann dir einen guten Kollegen von mir empfehlen, der…“
„Zeig mir das Stammbuch!“, wiederholte er. Einen Augenblick lang war er sicher, sie würde ihn hinauswerfen.
Stattdessen stand sie seufzend auf und ging hinüber zum Schreibtisch. Kurz darauf kehrte sie mit einem dunkelblauen Buch zurück und legte es vor ihm auf den Glastisch.
„Bitte“, sagte sie. „Wenn es dir hilft!“
Adrian nahm das Buch in die Hand, seine Gedanken rasten. Eilig blätterte er die Seiten durch, bis er auf den Geburtseintrag von Christina Sykes stieß, den 20. März 1980. Es gab nur einen weiteren Eintrag: Den Geburtseintrag von Marla von Alsbach, Christinas jüngerer Schwester.
Er klappte das Stammbuch zu und kam sich vor wie ein Idiot. „Danke, dass du es mir gezeigt hast“, brachte er mühsam hervor.
„Adrian!“, sagte sie eindringlich. „Ich glaube wirklich, dass du Hilfe brauchst!“
Er schüttelte den Kopf und ging zur Tür. „Warum bist du plötzlich so besorgt um mich?“ Er lächelte traurig. „Mir war klar, dass du mich für krank halten würdest. Aber ich musste trotzdem hierher kommen.“
„Lass dich mal sehen“, rief sie ihm hinterher, als er schon an der Außentür stand. Es klang ehrlich und er fragte sich einen Moment, ob er wirklich anfing, durchzudrehen. Oder hatte Christinas Mutter plötzlich Angst, er könnte doch etwas herausfinden, was sie gerne verbergen wollte?
Janson war seine nächste Station. Adrian betrat die Klinikmit gemischten Gefühlen. Vor genau zwei Jahren hatte er zum letzten Mal einen Fuß in das Gebäude gesetzt. Erst im letzten Moment erinnerte er sich daran, dass er nur ein Besucher war.
Die Empfangsdame hinter der Scheibe des Glaskastens tippte gelangweilt auf die Tastatur ihres Computers. Adrian klopfte gegen die Scheibe. „Ich möchte zu Dr. Janson.“
„Einen Moment bitte“, antwortete die Frau mit geschäftsmäßiger Kälte. Sie war blond und attraktiv und wahrscheinlich kratzte sie jedem mit ihren langen Fingernägeln die Augen aus, der unbefugt an ihr vorbeimarschierte.
„Ich kenne mich hier aus. Wenn Sie mir nur sagen könnten, wo Dr. Janson…“
„Und ich sagte, warten Sie bitte!“, sagte sie, ohne ihn
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