Das Prometheus Projekt
zusammenbrach, nur um das Martyrium wieder zu erleiden. Er presste die unförmigen Hände gegen den Schädel und schrie und heulte wie ein gemartertes Tier. Tief in seinem Kopf spürte er die ungeheure Spannung, mit der sich Knochenplatten, Sehnen und Gewebe in immer neuen Schüben neu zu formen begannen; unter Schmerzen, die ihn schier in den Wahnsinn trieben.
Dazwischen gab es Phasen der Ruhe, in denen er in einen todesähnlichen Schlaf hinüber glitt. Sein Herz schlug dann nur zwanzigmal in der Minute und sparte alle Energie, die in den Kraftwerken seiner Zellen gebraucht wurde, um das Programm zu vollenden. Die Veränderungsprozesse auf der kleinsten lebendigen Ebene seines Körpers verschlangen riesige Mengen Energie. Das waren Zeiten, an die Adam keine Erinnerung hatte, wenn er wieder erwachte. In diesen Stunden durchlebte er eine seltsame, fremdartige Existenz, die kein Mensch je vor ihm erfahren hatte. Mehr als einmal glaubte er, schwarze, verrottete Stufen zu erkennen, die steil nach unten an den tiefsten Punkt der Hölle führten. Noch hatte er nicht den Mut aufgebracht, diesem Pfad zu folgen. Tief im ältesten Teil seines Gehirns schliefen die unsagbaren Schrecken seiner Kindheit und warteten darauf, geweckt zu werden.
Erwachte er, war er verwirrt und brauchte oft eine Stunde und länger, bis sein Verstand in der Lage war, zu begreifen, wer er war und was er tat. Obwohl das einigermaßen erstaunlich war, denn Adam hatte das leistungsfähigste Gehirn, das je ein Lebewesen besessen hatte.
Adam wusste, dass er anders war. Er dachte anders und er sah anders aus. Wenn er in die Köpfe der Menschen blickte und darin wie in einem Bilderbuch blätterte, verspürte er Zorn und Wut. Er verstand nicht, was darin vorging, was sie dachten und vor allem fühlten. Adam fühlte nicht. Adam folgte einem Programm. Adam tötete.
Eine neue Schmerzwelle schlug über seinem Kopf zusammen. Er brach zusammen und wickelte sich in die stinkende Decke ein, auf der er die Nächte verbrachte. Sie war sein einziger Besitz. Adam stöhnte, als sein Körper sich aufbäumte und in immer neuen Fieberschüben pulsierte.
Er wimmerte und presste die überlangen, affenartigen Arme um den Leib und versank in eine todesähnliche Bewußtlosigkeit. Als er erwachte, fiel grauer Lichtschein durch das vergitterte Fenster hoch oben in der Wand. Sein Magen knurrte. Der Körper verlangte nach neuen Nährstoffen und Energie. Der nächste Schub war noch weit entfernt. Er konnte es spüren, wenn es soweit war. Jetzt noch nicht. Noch nicht.
Einezerknitterte Fotographie fiel aus der Decke und blieb auf dem Beton liegen. Es war das Foto einer Frau. Sie hatte sanfte, dunkle Augen, langes, dunkelbraunes Haar umrahmte ihr schmales Gesicht. Adam stürzte sich wie ein Raubtier auf das Bild und zerfetzte es mit seinen Klauenhänden, bis nur noch winzige Stücke davon übrig waren. Kreischend drehte er sich im Kreis und hieb mit den Krallen tiefe Furchen in das Mauerwerk. Dann stolperte er in seiner Raserei und verwickelte sich in die schmierige Decke. Halb verrückt vor Schmerz und Wut packte er seinen einzigen Besitz und zerriss und zerfetzte den Stoff bis zur Unkenntlichkeit.
Als er aus dem Zwielicht erwachte, saß er auf dem Boden und weinte. Es war das erste Mal, dass er das tat. Verwundert stellte er fest, dass es gut tat.
Mit seinen scharfen Krallen ritzte er immer wieder zwei Worte in den harten Beton:
KEINE SEELE, KEINE SEELE, KEINE SEELE…
15 Die Heimkehr
15
Die Heimkehr
Adrian starrte auf seine mit Zement verschmierten Hände und versuchte zu begreifen, was er gesehen hatte. Was bedeutete das alles? Nun tappte er noch tiefer im Dunkeln als zuvor und hatte nur einzige Frage klären können: Er verlor keinesfalls den Verstand.
Der Klingelton seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Er benutzte das Mobiltelefon nur selten, und noch seltener rief ihn jemand an, niemand gegen halb eins in der Nacht.
Es war Dr. Marion Schneider. „Es, … es tut mir leid, dass ich dich heute Mittag nicht ernst genommen habe“, begann sie zögernd. Ihre Stimme klang beunruhigt.
„Und um mir das zu sagen, rufst du mich mitten in der Nacht an? Dein Gewissen muss dich ja wirklich um den Schlaf gebracht haben“, antwortete Adrian.
„Lass uns nicht streiten. Du solltest sofort in die Klinik kommen. Vor einer halben Stunde wurde eine Frau eingeliefert, die aussieht wie Christina.“
Adrian war nicht in der Lage zu antworten oder einen klaren
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