Das Prometheus Projekt

waren.
    Er schlitterte durch nasses Laub und rutschte den Abhang hinab, bis er das Quad erreichte. In fliegender Hast wickelte er das Nylonseil von der Winde und verknotete es an seinem Gürtel.
    Und dann waren die Stimmen da. Sie klangen nah, höchstens zwanzig Meter entfernt. Zwei Männer unterhielten sich in Adrians Muttersprache.
    Er duckte sich hinter das umgestürzte Quad und versuchte auszumachen, woher die Stimmen kamen; sehen konnte er ihre Besitzer nicht. Aber er konnte auch nicht in der Talsenke hocken bleiben, bis sie sich zeigten. Adrian saß in der Falle. Das Quad leuchtete wie ein Signalfeuer. Es war nur eine Frage von Sekunden, bis die Männer es entdeckt hatten.
    Vorsichtig zog er sich zurück, nutzte die tiefen morgendlichen Schatten aus und kletterte den mit Büschen und Farnen bewachsenen Hang hinauf. Hinter dem breiten Stamm einer Eiche ging er in Deckung. Er streifte den Bogen ab, schob sich um den Stamm herum und beobachtete die Talsenke unter ihm. Die zwei Männer hatten das Quad entdeckt und kletterten den Hang hinab. Sie trugen grünbraune Tarnanzüge ohne militärische Rangabzeichen und waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Wilson war tatsächlich mit seiner Privatarmee im Anmarsch! Das bedeutete, dass die Amerikaner offiziell jede Verbindung mit Eve und dem Monster, das ihn in der Burg angegriffen hatte, abstreiten würden.
    Adrian hatte sich den ganzen Weg hierher überlegt, was er tun würde, wenn sie ihn in die Enge trieben. Würde er wirklich auf einen Polizisten schießen, der nur seinen Job machte? Nun fiel ihm die Entscheidung leichter. Diese Männer waren Söldner. Sie waren darauf trainiert, ihren Auftrag auszuführen, ohne Fragen zu stellen. Und wenn sie Adrian erwischten, würden sie ihn, ohne zu zögern, töten. Er versuchte sich einzureden, dass diese Tatsache den unvermeidlichen Kampf zu einem Akt der Selbstverteidigung machte.
    Lautlos richtete er sich auf und nutzte die Eiche als Deckung. Die beiden Söldner waren an dem umgestürzten Quad angekommen. Einer von ihnen untersuchte die gebrochene Vorderachse, während der andere mit der Maschinenpistole im Anschlag wachsam den Wald ringsum beobachtete. Sie unterhieltensich über die mögliche Unfallursache, der Wind trug ihre Stimmen klar und deutlich den Hang hinauf. Einer von beiden entfernte sich ein Stück und postierte sich vor einem Baum. Er drehte Adrian den Rücken zu, öffnete seine Hose und begann zu pinkeln. Die Männer schienen sich sicher zu fühlen. Wahrscheinlich rechneten sie damit, dass Adrian längst die Flucht ergriffen hatte.
    Sie begingen einen groben Fehler, indem sie ihren Gegner unterschätzten. Da sie nicht sofort die Verfolgung aufgenommen hatten, mussten sie sich sehr sicher sein, dass Adrian und Eve keine Chance hatten, aus dem Wald zu entkommen. Das bedeutete, dass Wilson das Waldgebiet abgeriegelt hatte.
    Adrian schloss die Augen und lehnte den Kopf an den Stamm. Es war lange her, seit er einen Menschen getötet hatte. Das war in einem anderen Leben geschehen, zu einer anderen Zeit. Die Ziele waren gesichtslose Opfer gewesen, zu weit entfernt, um die Menschen dahinter zu erkennen. Außerdem war er Soldat gewesen, hatte einen Auftrag gehabt und für sein Land gekämpft. Diesen Schwachsinn hatten sie ihm eingetrichtert und er hatte es geglaubt. Heute schämte er sich dafür.
    Doch diese Situation war vollkommen anders: Es war ein Scheibenschießen. Zumindest einen der beiden Söldner würde er auf Anhieb erwischen. Aber wenn Adrian ihnen nicht zuvor kam, würden sie ihn über den Haufen schießen und Eve zurück in ihr Frankenstein-Labor schleppen.
    Mike hatte ihn gewarnt. „Brad ist völlig ausgerastet“, hatte er gesagt. Brad hasste Adrian mit jeder Faser seiner Existenz und benutzte die Männer dort unten, um mit ihn abzurechnen.
    Lautlos zog er einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn auf die Sehne und spannte den Bogen.
    Der Compound-Bogen hatte einen großen Vorteil. Bei jedem normalen Sportbogen musste der Schütze mit zunehmender Spannung der Sehne immer mehr Kraft aufwenden, und das erschwerte das Zielen. Nicht so bei Adrians Bogen. Die Bogensehne bestand aus einem komplizierten Flaschenzug, der an den Bogenenden über zwei Exzenterrollen lief. Dadurch verringerte sich ab einem bestimmten Punkt die Kraft deutlich, die er zum Spannen des Bogens aufbringen musste, und er konnte mit aller Sorgfalt zielen. Zudem war die Flugbahn des Pfeils flacher und die Geschwindigkeit höher als bei