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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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Katze Tod.«
    Er war so verändert, seit ich ihn das erste Mal getroffen hatte. Jetzt, wo er es nicht mehr nötig hatte, mir den einfachen Burschen vom Land vorzuspielen, konnte er zeigen, dass er einen kühlen Kopf besaß, den er auch zu benutzen wusste – und wenn er sich mit einer Sache auskannte, dann war es Täuschung. So lange hatte er sich als etwas ausgeben müssen, das er nicht war, immer bemüht, den Schein zu wahren, damit keine Fee Verdacht schöpfte, und man musste ihm hoch anrechnen, dass er es damit sogar bis zum Hausburschen von Hollyhock gebracht hatte. Aber er war mir letztlich unheimlicher als die Feen, vor allem, solange ich nicht wusste, ob auch seine Freundschaft zu mir nur gespielt war.
    Trotzdem folgte ich seinen Anweisungen. Ich war immer noch so verwirrt, so unglücklich, dass ich nicht mehr geradeaus denken konnte, und mit der Art, wie Alan mich das Puppenzimmer herrichten ließ, schützte er nicht sich selbst, sondern mich. Ihm konnte es egal sein, was aus mir wurde, aber wenn ich verhindern wollte, dass Rufus und Violet mich für Blanches Tod zur Rechenschaft zogen und mich nach Feenart bestraften, dann musste ich es wirklich so aussehen lassen, als wäre ich nicht dabei gewesen, als Blanche starb. Auch wenn ich wusste, dass meine Fingerabdrücke auf ihrem Handgelenk brannten, dass ich direkt danebengestanden hatte, als es geschah, war ich noch in Sicherheit. Trotz des Lärms, den wir zwischendurch veranstaltet hatten, angefangen mit dem Moment, als ich versucht hatte, Blanche vom Sofa zu zerren, war doch niemand hereingestürmt gekommen. Niemand hatte mich erwischt, niemand konnte mir etwas nachweisen, und wenn ich jetzt noch unbemerkt in mein Zimmer kam …
    Natürlich, der Butler hatte mich gesehen, er wusste, wann ich das Haus wieder betreten hatte, und dass ich in Eile war. Aber würde er mich verraten? Ich gehörte doch jetzt zu den Herrschaften … So oder so war er Rufus verbundener als mir, und ich musste damit rechnen, dass er sein Wissen irgendwann preisgab. Aber selbst wenn, dann war ich doch zumindest für diesen einen Tag in der Lage, so um Blanche zu trauern, wie ich das Bedürfnis hatte, ohne mich gleichzeitig vor den Feen für ihren Tod rechtfertigen zu müssen. Am Ende war doch alles Blanches eigene Schuld gewesen. Wir sorgten nur dafür, dass man das auch sehen konnte.
    »Geh«, sagte Alan schließlich. »Sieh zu, dass du in dein Zimmer kommst, wasch dir das Gesicht. Du darfst besorgt aussehen, aber nicht zu verheult, schließlich weißt du noch nicht, was passiert ist. Schaffst du das? Du musst für sie Theater spielen, und ich weiß, das ist im Moment schrecklich für dich, aber tu es, bitte. Ich kümmere mich um alles andere.«
    Ich wusste nicht, was er vorhatte, aber ich nickte. Und dann schlich ich mich, diesmal zum Glück ohne weitere Begegnungen mit dem Butler, zurück. Als ich an Blanches Zimmer vorbeikam, musste ich neue Tränen mit Gewalt unterdrücken. Endlich war ich in meinem Zimmer, warf mich aufs Bett, erstickte mein Schluchzen mit dem Kopfkissen und hoffte, dass am Ende doch alles nur ein böser Traum war. Aber ich wusste, es war keiner.
    Als ich aufstand, war ich ganz Fee. Ich musste mich daran erinnern, dass ein Teil von mir in der Lage war, kühl und ruhig zu bleiben und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Ich mochte das hassen, aber jetzt brauchte ich es, um meine Rolle zu spielen und die Wahrheit um Blanches Tod geheim zu halten. Ich lief die Treppen hinunter, und diesmal musste ich mir keine Gedanken machen, wer mich sah, im Gegenteil. Als ich zum Puppenzimmer kam, war ich bereit, Blanche noch einmal zu entdecken, mich von ihrem Tod überraschen und entsetzen zu lassen und dann Hilfe zu holen. Aber ich kam nicht hinein. Die Tür war abgeschlossen, und jetzt steckte wirklich der Schlüssel von innen. Ich fragte mich, wie Alan es geschafft hatte, aus dem Zimmer zu entkommen, aber vielleicht ging er volles Risiko ein und wartete in einer Ecke oder hinter den Vorhängen, unsichtbar, und baute darauf, dass niemand ihn sehen konnte.
    Ich rüttelte an der Tür, so wie ich es in Wirklichkeit auch getan hätte, und rief: »Blanche? Blanche, das ist nicht witzig! Lass mich rein!« Meine Stimme zitterte nicht einmal, und ich hasste mich dafür. Dann wartete ich einen Augenblick und zählte bis 20. Ich nickte mir selbst zu, wünschte mir viel Glück und machte mich auf die Suche nach Rufus.
    Er war nicht in der Bibliothek. Das war ein Glück, denn sie war nah am

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