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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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über die Feen und ihre Gabe, zu heilen. Wenn ich mich anders entschieden hätte, als Rufus eine richtige Fee aus mir machen wollte – hätte ich dann die Seele in ihrem Kokon heilen können, bevor sie Blanche tötete? War das am Ende meine wahre Schuld? Dass sich Blanche in das Zimmer stehlen würde, damit hätte ich rechnen müssen. Sie hatte es oft genug versucht, früher oder später musste sie einmal Erfolg haben damit. Mit List, mit Hartnäckigkeit, selbst mit Zauberei war sie gescheitert. Dass am Ende ein einziger vergessener Schlüssel hatte ausreichen sollen …
    Aber ansonsten hätte sie einen anderen Weg gefunden. Blanche, umgetrieben von ihrer eigenen fremden Seele, hatte in das Puppenzimmer gewollt, und nichts und niemand hätte sie davon abhalten können. Aber wenn die Puppen dann alle harmlos gewesen wären … Wenn ich sie nicht ausgerechnet da und so versteckt hätte, dass sie Blanches Neugier weckten … Es war meine Schuld. Damit musste ich jetzt leben. So lange hatte ich meine Unschuld getragen wie ein Kleid, das mir eine fremde Person übergezogen hatte – und so gleichgültig war sie mir gewesen. Jetzt, in nur zwei kurzen Tagen, hatte ich doppelt gemordet. Es war an der Zeit, dass ich einmal im Leben etwas Richtiges tat. Dass ich nicht nur an mich dachte, an das, was ich wollte, sondern an das, was notwendig war, und mehr noch, gut.
    »Bitte«, sagte ich in den Raum hinein, ohne jemanden anzusehen, so wie auch Rufus immer nur noch mit der leeren Luft sprach, »darf ich eine Frage stellen?«
    Die Luft antwortete nicht. Aber sie widersprach auch nicht. Also fragte ich: »Blanche sagte, eine Fee hat heilende Kräfte. Heißt das, wenn ich eine Fee wäre, dass ich auch diese Seelen erlösen könnte? Und nicht nur durch das Feuer?«
    Rufus blickte mich bohrend an. »So ziehst du es also ernsthaft in Betracht?«, fragte er. »Wozu jetzt dieser Sinneswandel? Glaubst du, du kannst ihren Platz einnehmen? Ihre Kleider anziehen, in ihrem Bett schlafen? Nur zu. Tu es. Wenn du ihr Zimmer willst, es steht dir offen.«
    Tränen schossen mir in die Augen vor Wut und Trauer. »Das ist es nicht, was ich meine«, sagte ich kalt. »Es tut mir leid, was geschehen ist, und ich will nicht, dass es noch einmal geschieht, egal mit wem. Ich weiß, ich war halsstarrig, was meine Position betrifft. Bockig. Aber wenn ich jetzt wirklich eine Fee werden wollte –«
    »Dann wärst du uns willkommen«, sagte Violet, ganz leise und kraftlos. »Von ganzem Herzen.« Und vielleicht, aber nur vielleicht, lächelte sie wieder ein kleines bisschen.

Achtzehntes Kapitel
    Mit Beifallsbekundungen waren die Feen genauso zurückhaltend wie in Sachen Trauer, doch ich wusste, dass Rufus und Violet meine Entscheidung begrüßten. Natürlich, sie hatten auch lange genug auf mich eingewirkt und dachten nun wohl, dass sie es waren, die mich überzeugt hatten, und nicht mein eigenes Gewissen. Ich selbst tat mich da deutlich schwerer: Ich hatte Angst vor dem, was mich erwartete, und wann immer ich meine Gedanken nicht unter Kontrolle hielt, beschlossen sie, dass ich es mir doch anders überlegt hatte und ein Mensch bleiben wollte, was schließlich das einzig Richtige war.
    Ich musste mich zwingen, bei meiner Entscheidung zu bleiben. Vielleicht wäre es das Klügste gewesen, meine Ankündigung sofort in die Tat umzusetzen, aber ich wollte mir sicher sein können, dass ich nicht doch unter einem Zauber stand, der mir den Verstand vernebelte. Auch wenn Rufus am liebsten noch am gleichen Tag den Feenwein aufgetischt hätte, konnte ich ihm und Violet klarmachen, dass ich noch etwas Zeit brauchte, um mich vorzubereiten, meine Erinnerungen zu ordnen und vielleicht das eine oder andere niederzuschreiben, von dem ich nicht wollte, dass es ganz verlorenging. Rufus und Violet, das muss ich ihnen hoch anrechnen, drängten mich nicht, ganz im Gegensatz zu jemand anderem, der alles versuchte, um mich doch noch im letzten Augenblick umzustimmen – Alan.
    »Das kannst du nicht machen!«, rief er so zornig, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. »Das werde ich nicht zulassen! Ich weiß nicht, was sie mit dir angestellt haben, aber ich weiß, die Florence, die ich kenne, würde sich nie aus freien Stücken für so etwas entscheiden! Sie haben dich verzaubert, damit du zustimmst, so wie sie alle anderen im Haus verzaubert haben.«
    Ich ließ ihn ausreden, es hatte keinen Sinn, ihm jetzt auch noch ins Wort zu fallen, dann hätte er sich nur noch weiter aufgeregt.

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